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Rezensionen zu
Die Königin und der Kalligraph

Moussa Abadi

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Was für eine Entdeckung! Dieser Kurzgeschichtenband von Moussa Abadi ist wahrlich ein Highlight des Lesejahres 2024! Eine Sammlung die im Original auf Französisch bereits 1994 erschien und nun 30 Jahre später von Gerhard Meier für uns ins Deutsche übertragen wurde. Was diesen Band so besonders macht, ist die Geschichte des Autoren selbst, der mir vorher kein Begriff war. Was unglaublich ist, denn dieser syrische Jude hat zu Zeiten des zweiten Weltkrieges über 500 jüdische Kinder in Nizza vor dem Tod gerettet! In Frankreich ein bekannter Mann. Einer der Gründe, warum ich dazu rate, zuerst das Nachwort von Rafik Schami zu lesen, dass ab Seite 179 beginnt und das Setting und den Hintergrund zu den Geschichten und des Autors toll darlegt. Auch das ein Genuss. Moussa Abadi nimmt uns mit in die 1910er und 20er Jahre, zurück in seine Kindheit in ein vielfältiges Damaskus und dort speziell in die jüdischen Straßenzüge. Er skizziert einzelne Portraits von Menschen, Schicksalen und wie das Leben in dieser vibrierende Stadt prägte im Guten wie im Schlechten. Was mich daran so fasziniert hat, und Hoffnung keimen lässt, ist dass er ein wunderbar friedliches Nebeneinander von Religionen und Kulturen beschreibt. Ein respektvoller und zutiefst menschlicher Umgang. Und dann diese poetische, fast märchenhafte Sprache. Nicht nur der Titel ‚Die Königin und der Kalligraph‘ ist entsprechend zauberhaft, auch sprachlich aus einer anderen Welt mit viel Poesie zu Papier gebracht. Eine absolute Leseempfehlung!

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Es war einmal eine Stadt, in der Muslime, Juden und Christen friedlich zusammenlebten. Nicht konfliktfrei, jeder in seinem eigenen Dunstkreis, aber doch mit einem gewissen Respekt und vor allem Toleranz vor dem anderen. Es war einmal das Damaskus der Kindheit von Moussa Abadi, 1910 dort geborener Autor des autobiografischen Werks Die Königin und der Kalligraph, und auch ein Stück weit das des 1946 geborenen Schriftstellers Rafik Schami, der zu eben jenem Werk, das gerade in der Übersetzung von Gerhard Meier bei Manesse erschienen ist, ein ausführliches Nachwort beigesteuert hat. Im Jahr 1900 lebten ca. 11.000 Juden in Damaskus. Viele wanderten 1948 oder nach dem Sechstagekrieg 1967 aus. 1992 zählte man noch 4000 Juden in der Judengasse, 2019 waren es laut Rafik Schami nur noch 12. Heute erscheint ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionen utopischer als je. Aber es war einmal… Moussa Abadi verließ, auch hier eine Parallele zu Rafik Schami, bereits als junger Mann seine Heimat. 1929 erhielt er ein Stipendium für die Sorbonne in Paris. In Frankreich (üb)erlebte er auch den Zweiten Weltkrieg. 1939 lernte er die Ärztin Odette Rosenstock kennen, mit der er sich ab 1942 dem Widerstand anschloss und jüdischen Familien half, ihre Kinder zu verstecken. 527 Kinder entkamen so der Deportation. Abadi arbeitete nach dem Krieg als Theaterkritiker und Radiojournalist. In bereits hohem Alter schrieb er seine Erinnerungen an die Damaszener Judengasse seiner Kindheit auf. Das Buch erschien zuerst 1994. „Wozu noch in der Glut der Erinnerung stochern, wo doch mein Damaskus nicht mehr in Damaskus ist und mein Ghetto auf immer verschwunden?" In locker verwebten Geschichten schreibt Moussa Abadi in Die Königin und der Kalligraph über die Menschen, die in den 1920er Jahren sein Viertel bewohnten. Das öffentliche Leben fand auf den Gassen statt. Armut, religiöses Leben. Bettler, Kaufleute und Beamte bevölkern es, fleißige Handwerker und Tagediebe, Schlitzohren und Familienväter, Mütter und tratschende Nachbarinnen. Tragödien und Komödien, manchmal dicht beieinander. Wie etwa in der Geschichte der heimkehrenden Salha Stétiés, jüngstes von siebzehn Kindern, die als junges Mädchen verschwand, um Jahre später als Königin eines imaginären Reichs zurückzukehren. Oder die vom Kalligraphen, dem es nicht mehr vergönnt war, einen großen Auftrag anzunehmen. Oder von Ali und seinen drei depressiven Küken. Eine besonders berührende Geschichte ist die der tiefen Freundschaft zwischen Abadis Urgroßvater und einem Beduinen, der einst dem fast verdursteten Reiter in der Wüste Wasser reichte und von ihm so reich belohnt wurde, dass es wiederum die von einer Heuschreckenplage gebeutelte Beduinenfamilie rettete. Die Freundschaft überstand die Generationen und noch in Moussas Kindheit brachten die Beduinensöhne jedes Jahr eine Gabe in die Judengasse. Wie meist bei solchen Rückblicken wird wohl so manches durch den nostalgischen Schleier und das vorgerückte Alter des Erinnernden ein wenig verklärt sein. Aber dennoch wird deutlich, dass ein Miteinander damals möglich war. Dadurch gibt das Buch auch gerade in der heutigen Situation Hoffnung und erscheint ein wenig wie eine Utopie. Auch wenn ich diese Buchbesprechung mit „Es war einmal“ begonnen habe und die Gasse von Abadis Kindheit im vermeintlichen „Morgenland“ liegt, erzählt der Autor nicht ausufernd und „orientalisch“, sondern klar, knapp, aber dennoch poetisch. Die Originalausgabe erschien auf Französisch. Rafik Schami entdeckte die arabische Übersetzung und empfahl sie dem Manesse Verlag, dem wir nun die deutsche Übertragung dieses unterhaltsamen, bereichernden und oft augenzwinkernd humorvollen Erinnerungsbuchs verdanken.

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Als wären sie ein Teil der Geschichten aus 1001 Nacht. Nur, dass es keine Märchen aus dem islamischen Kulturkreis sind, sondern Momente aus dem jüdischen Leben. Ein Blick in die Ghettos in Damaskus, Aleppo und anderen Städten des Nahen Ostens. Wie viel lässt sich doch aus diesen oft märchenartigen Erzählungen über die Sitten und Gebräuche und über das Zusammenleben über alle Grenzen hinweg erfahren. Moussa Abadi beschreibt das alles in unglaublicher Leichtigkeit, voller Gleichmut, vielleicht immer mit einem leichten Schmunzeln um die Lippen, das durch seine Feder (wahlweise: Tastatur, Bleistift) ungefiltert den Weg in die Texte findet. Er meidet dabei auch nicht einen kritischen, satirischen Blick auf seinen Mitbürgerinnen und Mitbürger und verschafft durch genau dosierte Überzeichnung einen nicht oft gewährten Einblick in den Alltag in den Ghettos. Der Sohn, der auswanderte, um in Amerika zu Reichtum und Ansehen zu kommen. Die vermeintliche Königin, der man großherzig verzieh, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hatte; ihre Spenden wogen eben jede Schwindelei auf. Allerlei Geschichten aus den Synagogen und über seltsame Rabbiner. Das Zusammenleben der jüdischen Gemeinden mit den anderen Bevölkerungsgruppen. Legenden über wohlbekannte Mitglieder der Gemeinde, die unter der Hand weitererzählt werden; allesamt erzählt, mit dem Hinweis, dass sie natürlich nichts als die Wahrheit enthielten. Von Bettlern und Wohlhabenden, die in Nachbarschaft leben. Und immer liest man von der Vergänglichkeit des Lebens und wie darin auch Zuversicht stecken kann. Das alles ereignet sich vor dem Hintergrund der Umwälzungen und fatalen historischen Geschehnisse des 20. Jahrhunderts. Als der Nahe Osten von europäischen Mächten in Kolonien aufgeteilt war, deren Bewohner in die Armeen des 1. Weltkrieges eingezogen wurden. Als dann der Krieg endlich zu Ende war, verwandelte die noch viel schrecklicher Zeit der Naziherrschaft das Leben der Juden in eine Abfolge von Angst und Flucht. Moussa Abadi und seine Lebensgefährtin retten ihr Leben und schlossen sich dem Widerstand gegen Hitlerdeutschland an. Neben den von Wertschätzung geprägten Momenten im Leben von Juden als Minderheit inmitten anderer Religionen liest man in den Geschichten Abadis aber auch von der Zurücksetzung und Diskriminierung, der man als Jüdin und Jude ausgesetzt war. Das Ghetto war also auch ein Rückzugsort, indem es zwar geschehen konnte, dass man Opfer einer Intrige wurde; mit direkter Gefahr für das Leben wurde man meist nur außerhalb konfrontiert. Am Ende jedoch ist die Zeit vorbei, in der Juden und Muslime nebeneinander in Eintracht leben konnten. Als der Israel gegründet wurde, waren auch die Juden, die seit Jahrhunderten dort lebten, zu unerwünschten Eindringlingen geworden. Um das zuvor Gelesene richtig verstehen und einordnen zu können, ist die Lektüre des umfangreichen Nachworts von Rafik Schami in bedingt zu empfehlen. Es ist zugleich geschichtliche Einordnung wie auch Beschreibung der jüdischen Gemeinden wie auch des Lebens von Abadi: Wie der Antisemitismus aber schon lange vor den uns allen bekannten Verbrechen die uralten jüdischen Gemeinden in Syrien zerstörten. Wie die Zahl der in muslimischen Ländern lebenden Juden in der Folge von Pogromen und Einschränkungen im Alltag von einst Hunderttausenden auf heute wenige tausend schrumpfte. “Die Königin und der Kalligraph” ist ein besonderes Buch: Es beschreibt einerseits die Leichtigkeit des Lebens, den fröhlichen Blick auf die Welt und die Ironie, mit der Menschen wie Moussa Abadi sich selbst und ihre Erinnerungen betrachten können. Andererseits finden sich darin auch alle die Vorurteile, Anfeindungen und Beschränkungen, denen Juden nicht nur in Damaskus, sondern im gesamten Nahen Osten und auf der Welt ausgesetzt sind. Die Welt, von der Abadi in den Geschichten aus dem Ghetto, in dem er aufwuchs, erzählt, existiert nicht mehr, sie musste Hass und Gewalt weichen. Sieht und hört man heute die Meldungen aus der Region, dann kann man sich kaum vorstellen, dass sie jemals existierte oder jemals wieder existieren kann. Umso bemerkenswerter, welche insgesamt positive Atmosphäre die Geschichten dennoch verbreiten.

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