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Rezensionen zu
Mein Ein und Alles

Gabriel Tallent

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Schwere Kost

Von: Bookmarked

01.01.2019

Die 14-jährige Turtle lebt allein mit ihrem Vater Martin in einer abgelegenen Hütte am Waldrand. Martin ist Waffennarr, Verschwörungstheoretiker und … psychisch krank. Turtle ist sein Ein und Alles, sein Eigentum, sein ganzes Leben und seine Erziehung ist eine Mischung aus Disziplin, Gewalt, Liebe und Missbrauch. Eines Tages begegnet Turtle im Wald zwei gleichaltrigen Jungen mit denen sie sich anfreundet. Zum ersten Mal zweifelt sie die Weltsicht ihres Vaters an, lernt was Freundschaft ist und wie eine Eltern-Kind-Beziehung aussehen könnte. Doch eine Befreiung von ihrem besitzergreifenden Vater scheint unmöglich. Mein Eindruck: Direkt vorab: Das Buch ist nichts für schwache Nerven und ich möchte eine Warnung aussprechen, insbesondere an Menschen, die selbst Missbrauch erfahren haben oder grundsätzlich nicht über das Thema Missbrauch lesen können/wollen. Das Buch enthält explizite Beschreibungen. Mich selbst hat diese Geschichte an meine Grenzen gebracht und dadurch eine enorme Wucht entwickelt. Es gab Momente in denen ich das Buch weglegen musste und nicht wusste, ob ich es weiterlesen kann. Ich habe mich während der gesamten Lesezeit körperlich unwohl gefühlt, als wäre ich krank und dieses Gefühl endete erst nachdem ich das Buch beendet habe. Ich empfand das Zuschlagen des Buches als Erleichterung, so stark hat mich der Inhalt beeinflusst. Es war also ein außergewöhnliches Leseerlebnis, das ich so schnell nicht vergesse und aus diesem Grund zählt dieses Buch zu meinen Highlights 2018. Der Sprachstil ist speziell. Der Autor nutzt eine sehr umfangreiche, detailreiche und poetische Sprache, die in starkem Kontrast zu der eher derben Wortwahl in Dialogen steht. Letzteres unterstreicht die Herkunft und Lebensweise der handelnden Personen. Insbesondere die Sprache von Martin zeigt seine pessimistische Weltsicht und seinen Hass auf Menschen. Da ist es ganz natürlich, dass sich auch Turtle dieser vulgären Sprache bedient. Ich brauchte allerdings ein wenig Zeit um mit dem Schreibstil warm zu werden. Der Autor macht keinen Unterschied zwischen Landschaftsbeschreibungen und der Schilderung von Gewaltszenen. Beides ist detailliert und wortgewaltig. Dadurch kann man dem Autor nicht vorwerfen bei letzterem nur schockieren zu wollen. Dennoch bereiteten mir einige Szenen eine ordentliche Übelkeit. Ich finde es großartig, dass Turtle eben nicht das sympathische Opfer ist, mit dem man sich gerne identifiziert und uneingeschränkt mitfiebert. Durch das was sie durchgemacht hat, konnte aus ihr wohl kaum eine völlig normale junge Frau werden. Stattdessen verabscheut sie Frauen, traut niemandem, ist verschlossen und hat sehr widersprüchliche Gefühle zu ihrem Vater. Das zeigt zum einen, dass jedes Missbrauchsopfer anders ist und es in dem Fall kein typisches oder normales Verhalten gibt und geben sollte und zum anderen zeigt es, dass Kinder, die von ihren Eltern missbraucht werden, nicht automatisch aufhören diese zu lieben. Auch für Turtle ist das Erkennen des Unrechts ein längerer Prozess. Ich habe in einigen Kritiken gelesen, dass der Vater problematisch beschrieben ist, dass ihn einige zu sympathisch fanden. Das kann ich nicht recht nachvollziehen. Für mich ist er der abscheulichste Buchcharakter, den ich bisher kennenlernen musste. Außerdem finde ich es falsch Täter als durch und durch böse darzustellen, wenn sie doch auch in der Realität oft als unscheinbare Nachbarn, führsorgliche Eltern oder faszinierende Persönlichkeiten beschrieben werden, von denen niemand gedacht hätte, dass sie zu so etwas fähig sind. Das ist nun mal auch der Grund warum solche Taten oft viel zu spät erkannt und gemeldet werden. Fazit: Eine sehr beklemmende Geschichte, die mich an meine persönlichen Grenzen brachte. Ein sehr unbequemes Jahreshighlight 2018 an das ich sicher noch lange denken werde.

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Als ich im Oktober durch die Literatursendung Buchzeit auf den Roman „Mein Ein und Alles“ von Gabriel Tallent aufmerksam wurde, war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt etwas über die zerstörerische und grenzen überschreitende Vater-Tochter-Liebe lesen wollte, weil es dort hieß, dass diese Geschichte nichts für schwache Nerven sei. Aber wie es manchmal mit Warnungen so ist, machen sie doch erst recht neugierig und so hielt ich schon bald das Buch in der Hand. Ich las es eher vorsichtig, immer auf das Schlimmste gefasst, las lange mit einer leisen Ahnung, von dem, was bei dem groben Umgang zwischen dem besitzergreifenden obsessiven Vater Martin und seiner 14jährigen, unter härtesten Bedingungen zu einer kampferprobten Waffennärrin und Überlebenskünstlerin erzogenen Tochter Julia sonst noch in dem weltabgeschiedenen Haus in den nordamerikanischen Wäldern vorgefallen sein mochte. Ich ertrug kaum die Härte und die selbst geschaffene Welt, in der diese beiden Menschen miteinander umgehen. Ihre Sprache empfand ich als unangenehm, obwohl genau diese dafür sorgt, dass die Atmosphäre einem den Magen umdreht, die Personen authentisch wirken lässt und verdeutlicht, warum die 14jährige, die sich selbst nur Turtle nennt, so denkt und handelt, wie sie es letztlich tut. Auf ihren tagelangen Streifzügen durch die Natur sucht sie Zuflucht vor ihrem gewalttätigen Vater. Sie hält Augen und Ohren offen, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen – wie sie es von ihm lernte. Aber sie nimmt auch die Schönheit der sie dabei umgebenden Natur wahr und der Autor entführt den Leser damit auch sprachlich in eine völlig andere Welt voller schöner Naturbeschreibungen. Als Turtle jedoch Jakob bei einem ihrer Ausflüge näher kennen lernt und wahre Freundschaft erfährt, beginnt sie sich langsam aus den Klauen ihres Vaters zu lösen. Doch Martin kann und will seine Tochter, sein ‚Ein und Alles‘ nicht loslassen. „Turtle hat immer gewusst, dass andere Menschen anders aufwachsen als sie. Aber sie hatte, denkt sie, keine Ahnung, wie anders.“ (S. 251) Gabriel Tallent konnte mich mit „Mein Ein und Alles“ berühren. Er beschreibt Landschaften oder Turtles Routine der Waffenreinigung anschaulich und manchmal so ausführlich, dass es für mich persönlich auch ruhig etwas weniger hätte sein dürfen. Aber er beherrscht glücklicherweise meist auch die nötige Distanz, um Dinge vage zu beschreiben oder auch nur anzudeuten. Nichtsdestotrotz trafen mich diese Szenen und ich musste das Buch zwischenzeitlich aus der Hand legen. Aber die Geschichte ließ mich bis zum Schluss nicht los und wird mir sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben. Ein besonderes Buch, nicht leicht verdaulich, aber dennoch empfehlenswert!

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Ich möchte direkt vorneweg eine Triggerwarnung aussprechen. Die Protagonistin Turtle, die eigentlich Julia heißt, wird von ihrem Vater missbraucht, körperlich wie seelisch. Wenn man diese Thematik aus irgendwelchen Gründen nicht ertragen und sich davon distanzieren kann, ist man als Leser bei dieser Geschichte falsch. Man wird bei diesem Roman trotz des wundervollen Settings kein "schönes" Leseerlebnis, dafür aber ein intensives haben. Mein Ein und Alles ist ein Buch, an das man noch lange denkt, wenn man es bereits ausgelesen hat, aber auch in den Lesepausen kann man die Geschichte nicht vergessen. Die Geschehnisse sind oft an der Grenze des Erträglichen und ich konnte es nur deswegen gut ertragen, weil ich mir immer wieder klar gemacht habe, dass dieser Roman nur eine Geschichte und kein True Crime-Buch ist. Was mir sehr gut gefallen hat, war dass so ziemlich alle Figuren in der Geschichte recht unkonventionell sind. Man erlebt keine Figuren, wie sie zu Tausenden in Romanen vorkommen, sondern sie sind alle sehr außergewöhnlich ausgearbeitet. Das ist ein großer Pluspunkt, leider findet man so etwas nicht so häufig, weil oft Klischees in Büchern verwendet werden. Auch der Schreibstil ist etwas besonderes, weil er anspruchsvoll ist. Ich habe daher etwas gebraucht, um in die Geschichte abzutauchen. Manchmal musste ich eine Passage mehrere Male lesen um sie zu verstehen, diese Mühe lohnt sich aber definitiv. Die Sprache ist etwas gehobener und manchmal habe ich mir gedacht, dass Jugendliche sich so eigentlich nicht unterhalten. Was mir aber super gefallen hat, war die bildhaften Beschreibungen der Natur, die für die Protagonistin Turtle sehr wichtig ist. Ich habe mich dadurch den Szenen sehr nahe gefühlt, das hat den schwierigen Stil wieder wett gemacht. Ich Turtle als Menschen sehr gerne leiden, auch wenn sie aufgrund ihrer Erlebnisse kein sympathischer, offener Mensch ist. Im Gegenteil, sie ist alles andere als das und stößt ihre Mitmenschen, die sich für die interessieren oft und krass von sich, aber wer kann es ihr verdenken. Wer weiß, wie wir wären, hätten wir das durchgemacht, was sie durchgemacht hat. Für mich ist sie eine starke Persönlichkeit, die trotz allem ihren Weg geht. Fazit: Wer intensive Leseerlebnisse schätzt und vor Missbrauchsthemen nicht zurückschreckt ist hier absolut richtig.

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Mein Ein und Alles von Gabriel Tallent Penguin Verlag 2018 - erschütternd und schockierend – Die 14-jährige Turtle lebt mit ihrem Vater Martin in einem verwahrlosten Haus in den Nordkalifornischen Wäldern bei Mendocino. Turtle liebt ihren Vater, doch dieser benutzt und erniedrigt sie. Die täglichen Rituale, wie das Frühstück – ein Bier für Martin, rein rohes Ei für Turtle – lassen das Kind abstumpfen. Schule ist für Turtle schrecklich, da sie Schwierigkeiten beim Lernen hat. Sie beschäftigt sich lieber mit ihren Waffen. Im ganzen Haus sind Schusswaffen und Messer deponiert. Ihre gemeinsame Zeit verbringen Vater und Tochter mit Schießübungen, Kraft- und Durchhalteübungen oder sie landet bei ihm im Schlafzimmer. Nach den ersten 50 Seiten musste ich das Buch zur Seite legen. Kopfschütteln, Verständnislosigkeit und Sprachlosigkeit haben mich beherrscht. Ich konnte die Kommunikation zwischen den beiden nicht mehr ertragen. Du Luder, du Nutte, die Schlampe …. Dann dieses Besitzergreifen des Vaters am 14-jährigen Kind … einfach nur schockierend. Doch dann lernt Turtle Jacob kennen und sie erfährt was wahre Freundschaft ist. Für Martin bricht eine Welt zusammen. Er würde sie lieber töten, als sie einem anderen zu überlassen. „Ich würde dich niemals gehen lassen … mein Ein und Alles.“ Gabriel Tallent hat mit seinem Debütroman harte Kost erschaffen. Aber genauso wie er das schreckliche Leben von Turtle beschreibt, verzaubert er mit der Beschreibung der Natur und Landschaft. Schreibt begeisternd über Himbeerfelder, Redwoodbäumen und dem Meer. Tallent sorgt dafür, dass beim Lesen Wut entsteht, dass Tränen fließen und man den Atem anhält. Für meinen Geschmack ist der Roman fast etwas zu brutal und abartig. Einige Beschreibungen des Autors haben mich richtiggehend angeekelt. Außerdem wären mir ein paar weniger „Kraftausdrücke“ lieber gewesen. Trotzdem ist die Geschichte um Turtle meines Erachtens ein Meisterwerk. Ein erschütternder und schockierender Roman mit einer außergewöhnlichen und liebenswerten Heldin. 5 Sterne

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ist KEIN Liebesroman. Ich kann es nicht bewerten ohne etwas zu erzählen, wer es also selbst lesen will, darf gleich nicht weiter lesen! Anna Thalbach liest dieses Werk einfach atemberaubend und es muss anstrengend gewesen sein. Ich hätte das Buch sicher nicht ohne weiteres lesen können, weil es manchmal so abstoßend und dann wieder so faszinierend ist um im selben Moment völlig krank zu werden und du sitzt nur da und denkst 'oh mein Gott' Wer sich nun fragt, warum denn bloß, darf weiter lesen. Wer denkt.... Ah verrat bitte bloß nix! Der guckt jetzt weg. Nur so viel. Ich habe selten einem Protagonisten so sehr den Tod gewünscht, wie in diesem Buch. Julia lebt mit Daddy und Opa ziemlich einsam in den Redwood Wäldern in den USA. Sie wird Turtle genannt, und sie ist auch sehr abgeschottet. Daddy möchte das so. Daddy ist ein Waffennarr und daher kann auch Turtle eher eine 9mm zerlegen und reinigen als englisch Vokabeln. Sie ist 14 und Gott weiß, seit wann Daddy sie in sein Bett holt. Da es die einzige Art der Liebe ist, die Martin ihr zukommen lässt, wehrt sie sich nicht. Sie ist sein ein und alles. Das lässt er sie auch spüren, als sie einen Jungen kennen lernt. Opa sieht die Spuren davon und möchte einschreiten nur die Zeit bleibt ihm nicht mehr. Martin verschwindet daraufhin und du atmest auf. Turtle schlägt sich alleine durch und trifft den Jungen wieder bis... bis Martin wieder kommt... mit einem Mädchen. Jetzt schlägt es auf Turtle ein... nicht nur, dass ihr bewusst wird, dass Martin ihr Unrecht tut und sie durch seine Vergewaltigungen schwanger werden könnte! Ihr wird auch klar, dass der Kleinen das gleiche Schicksal blühen könnte. Das will und kann sie nicht zulassen. Sie sucht Hilfe und keiner glaubt ihr. Sie hat Angst um den Jungen und bleibt... bis zu Tag X Und dann oh es gibt einen fiesen und großen Showdown. Vater gegen Tochter. Das Buch ist toll geschrieben, du lernst auch viel über die Natur, da es sehr detailverliebt ist. Aber du musst dir bewusst sein, dass schwere Kost ist.

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Starkes, verstörendes Debut

Von: Friedrichs Biggi

05.12.2018

Die vierzehnjährige Turtle lebt mit ihrem Vater in einem völlig heruntergekommenen Haus in den Wäldern von Nordkalifornien auf. Ihr Großvater lebt in der Nähe in einem alten Wohnwagen mit seiner Hündin. Turtle besucht mehr oder minder erfolgreich die Schule. Sie ist eine Außenseiterin, wird aber von ihren Mitschülern in Ruhe gelassen. Ihre Lehrerin versucht Turtle zu helfen, doch diese Hilfe will das junge Mädchen nicht. Turtle kann mit vielen Schusswaffen umgehen und ist von ihrem Vater auf das Überleben in der Natur vorbereitet worden. Der Vater ist schwer gestört und sehr grausam zu seiner Tochter. Warum, kann man nur erahnen, das wird in der Geschichte nicht näher beleuchtet. Er betrachtet seine Tochter als seinen Besitz und macht das auch sehr deutlich. Als Julia, so heißt Turtle, einen Jungen kennen lernt und sich verliebt, ahnt man schon, dass das schwere Folgen für beide haben wird. Sofort ist man mitten in der Geschichte. Gabriel Tallent beschreibt die Natur rund um Mendocino bild- und wortgewaltig, teilweise fast poetisch. Die Dialoge zwischen Turtle und ihrem Vater sind hingegen sehr derb, teilweise ordinär und brutal. Dieser Missbrauch, der da abläuft ist sehr verstörend. Turtle ist eine starke Protagonistin, die ihren Vater schützt, egal was er ihr antut. Sie versucht zu überleben und man zittert und hofft, dass es ihr gelingen wird. Manchmal ist es fast nicht auszuhalten, was das Mädchen alles ertragen muss. Dieser Roman ist ein starkes Debut, der von Gegensätzen lebt, den Leser mitleiden lässt und berührt. Diesen knallharten Pageturner kann ich euch nur empfehlen.

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Kampf & Widerstand

Von: G.Siema

02.12.2018

„Mein Ein und Alles“von Gabriel Tallent, Penguin Verlag, 1. Auflage, 2018 Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel „My Absolute Darling“ Dies könnte eine ganz normale Familie sein. Da ist ein Daddy (Martin), der in einem Haus in den Wäldern Kaliforniens, seine vierzehnjährige Tochter (Julia) alleine großziehen muss, weil Julias Mutter durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Böse Zungen behaupten auch, sie hätte „es“ nicht mehr ausgehalten. Der einzige Nachbar ist Grandpa, der mit seinem alten Hund in einem Wohnwagen im verwilderten Obstgarten haust. Verwildert ist nicht nur der Garten. Der raue Martin, der Großvater, das Haus, beinahe alles, womit es Julia, in ihrem Leben zu tun hat, ist rau und wild. Wobei sie mit der echten Wildnis kein Problem hat. Sie ist eine Überlebenskünstlerin, sie liebt die Natur, ihre Waffen, die Schule weniger. Julia hat viele Namen. Ihr Daddy nennt sie Krümel, ihr Grandpa nennt sie Liebchen, sie selbst zieht es vor, Turtle genannt zu werden. In ganz besonderen Momenten nennt sie ihr Daddy „mein Ein und Alles“, und er meint es wortwörtlich. Wenn Martin seine Tochter sein „Ein und Alles“ nennt, will er damit sagen, dass er ohne sie nicht leben kann, dass er sie nicht loslassen kann oder will und dass sie ihm ganz allein gehört. Diesen Besitzanspruch verteidigt er mit Perversion, Gewalt, Aggression und Missbrauch. Es gibt Menschen in Turtles Umfeld, die den Wahnsinn und die Gewalttätigkeit des Vaters erkennen, erahnen, doch Turtle lässt sich nicht helfen, so scheint es. Einige Menschen unternehmen hilflose Versuche, der Großvater überlebt so einen Versuch nicht. Julia muss immer gut überlegen, was sie sagt, wie weit sie gehen kann. Sie bereut öfter, zu viel gesagt zu haben, daher rührt auch ihre besonnene Art, die man auch als wortkarg bezeichnen könnte. Mit jedem Kapitel wird es gefährlicher, für Turtle. Sie ist das Opfer ihres Daddys, sie will aber unabhängig sein, dennoch ist sie abhängig von seiner Liebe, auch von seiner körperlichen Nähe. Je mehr das Mädchen um ihre Unabhängigkeit kämpft, desto mehr muss sie bei ihrem Daddy leiden. Schließlich bringt Martin das Fass zum Überlaufen, als er sich ein neues Opfer nach Hause holt. Turtle kämpft nun, aber im wahrsten Sinne des Wortes, mit ihren Waffen gegen ihren Vater. Gabriel Tallent hat acht Jahre an seinem Roman gearbeitet. Er betont in einem Interview, dass er über ein Mädchen schreibe, das für seine Seele kämpfe. Wer etwas über Waffen, die Natur in Kalifornien lernen möchte, muss nur Gabriel Tallents detaillierten Beschreibungen nachgehen. Ich finde viele Gründe, weshalb ich dieses Buch als gut bezeichnen kann. Sehr viele Geschichten, die derzeit veröffentlicht werden, basieren auf dem Gedankengut von „Gutmenschen“. Und diese Geschichten werden gerne gelesen. Für mich sind diese Texte realitätsfern. Tallents Roman ist nicht fern der Realität, denn Grausames passiert ständig, überall, kaum jemand bleibt davon verschont, jeder muss das in sein Leben integrieren ohne verrückt zu werden. Die Frage ist, ob man davonläuft oder sich stellt. Die Beschreibung des „Normalen“ erscheint so machen grausam. Gabriel Tallent ist Amerikaner, darum kann er auch so unverhohlen über den Umgang mit Waffen schreiben. Eine Waffe, eine Sache an sich kann niemals schlecht oder gefährlich sein. Es kommt immer darauf an, wie wir damit umgehen. Mit einem Hammer sind schon viele Köpfe eingeschlagen worden. Mit einem Hammer wurden schon viele Häuser gebaut. Ein Roman, das den Horizont in vielerlei Hinsicht erweitern kann!

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Turtle lebt seit dem Tod ihrer Mutter alleine mit ihrem Vater Martin in den einsamen Wäldern Nordkaliforniens in einem Haus, das definitiv seine besten Jahre hinter sich hat. Einzig Turtles Großvater lebt in der Nähe von Vater und Tochter. Martin ist ein durchaus intelligenter aber fanatischer Waffennarr, der der festen Überzeugung ist, dass die von Menschen bevölkerte Erde in sehr naher Zukunft ihrem Ende entgegen steuert. Dementsprechend ist Martins Beziehung zu seiner Tochter von Gewalt, Missbrauch und psychischer Unterdrückung geprägt. Schon in jungen Jahren lernt Turtle von ihrem Vater den Umgang mit allen möglichen Waffentypen. Was sie nicht von ihm lernt, ist der Umgang mit ihren Mitmenschen, denen Turtle konsequent aus dem Weg und somit die Zahl ihrer sozialen Interaktionen gegen null geht. Doch alles ändert sich an dem Tag, als Turtle Jacob über den Weg läuft. Jacob, der ihr zeigt, dass das Leben einen größeren Raum besitzt, als die Wäldern, in denen Turtle aufgewachsen ist, ihr heruntergekommenes Zuhause und ihren Vater. Doch Martin wird nicht zulassen, dass Turtle diesen Weg geht, denn sie ist sein Ein und Alles... Von der ersten Seite an hat mich Gabriel Tallents Debütroman "Mein Ein und Alles" überwältigt. Obwohl Turtles Geschichte nicht aus der Ich-Perspektive erzählt wird, baut der Leser mit einer fast schon beängstigenden Geschwindigkeit eine intensive Beziehung zu der Figur auf. Eine Verbindung, die so tief greift, dass es gerade am Anfang der Geschichte schwer fällt die Seiten zu lesen und alles anzunehmen, was die Zeilen hergeben. Die Intensität ist einfach zu hoch. Fast schon körperlich spürt man Turtles inneren Zwiespalt, der sich zwischen einem radikalen Ausbruch aus ihrem Leben und der krankhaften und fast schon fanatischen Hassliebe zu ihrem Vater bewegt. Obwohl ihre Gefühle nie wirklich beschrieben werden, fühlt man als Leser doch so viel und so intensiv zwischen den Zeilen, dass es schon fast Angst macht. Und während man im ersten Drittel des Romans versucht an Turtles Seite zu sein, egal wie schwer es fällt und man einfach nicht so viele Seiten am Stück lesen kann, kommt irgendwann ein Punkt in der Geschichte, an dem es kein Zurück mehr gibt. Es geschieht etwas Eigenartiges. Ein unglaublicher Sog entsteht, der den Leser plötzlich an das Buch fesselt. Und während man vorher noch schwer weiterlesen konnte und sich fast zwingen musste, ist es nun unmöglich die Geschichte beiseite zu legen, ohne zu wissen, wie sie enden wird. Und Turtle, eigentlich fehlen einem fast die Worte angesichts einer so besonderen und starken Protagonistin. Turtle forder die Leserinnen und Leser dieses Buches immer wieder heraus sie nicht zu mögen. Manchmal scheint es fast, als würde sie sie anschreien, was ihnen denn einfallen würde ihre Geschichte zu lesen, doch wir Leser lassen uns davon schwer beeindrucken. Einfach, weil es uns sehr schwer fällt, Turtle nicht zu mögen, ihr nicht anzumerken, dass sie gerade in dem sozialen Umfeld, das nicht ihren Vater mit einschließt, eine Rolle speilt, die sie jahrelang antrainiert bekommen hat und die sie aber genauso verzweifelt wieder loswerden möchte. Und nicht nur einmal möchte man Turtle in den Arm nehmen, um ihr zu zeigen, dass jemand da ist, der sich wirklich um sie sorgt, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht zulassen würde. Gabriel Tallent hat mit "Mein Ein und Alles" etwas Mutiges gewagt. Er erzählt eine Geschichte, in der fast alle Formen der Gewalt eine zentrale Rolle spielen und die manchmal und wahrscheinlich gerade deswegen schwer zu ertragen ist. Gleichzeitig klagt Tallent die fanatische Waffenvernarrtheit der amerikanischen Bevölkerung an und macht deutlich, dass sie unter dem fadenscheinigen Deckmantel des "Schutz suchen", mit dem das Waffengesetz in den USA am meisten rechtfertigt wird, mehr als einmal diejenigen vergessen, die wirklich Schutz benötigen. Das Ende des Romans greift dieses Motiv dann noch einmal auf und lässt es in einer fast schon absurden, aber wohl absichtlich herbeigeführten Doppelmoral aufleuchten. "Mein Ein und Alles" ist somit ein rundum gelungenes Kunststück der Gegenwartsliteratur geworden. Eine Geschichte, die einiges abverlangt aber genauso viel wieder zurückgibt.

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