Von:
K. Richter-Roth
27.06.2022
In „Der Fremde“ geht es im Wesentlichen um einen jungen Mann, der Opfer einer brutalen Vergewaltigung wurde, seiner Familie und den ermittelnden Polizisten. Das Opfer und seine Familie zerbrechen beinahe an der Tat und finden alle einen anderen Weg, das Trauma zu verarbeiten. Der zuständige Ermittler in dem Fall ist gefangen zwischen seiner Pflicht auf eine unvoreingenommene Ermittlung und der Empathie mit dem Opfer und seiner Familie.
Caitlin Wahrer schafft es wunderbar, den Leser in die Tiefen der Psyche dieser Personen mitzunehmen. Die drei völlig unterschiedlichen Versuche, die Tat zu verarbeiten, sind absolut brillant dargestellt. Der Leser erfährt nicht nur, dass eine Person handelt, sondern auch warum und wie sie zu dieser Lösung gekommen ist.
„Der Fremde“ hat mich sehr fasziniert und gut unterhalten. Der Schreibstil der Autorin ist detailverliebt aber nicht langatmig. Das Buch liest sich flüssig und die Spannung wird immer aufrechterhalten. Am Ende gibt es noch Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. Der Roman ist in lauter kleine Kapitel unterteilt, die sich meist nur mit einer der Hauptpersonen und ihren Handlungen und Intentionen beschäftigen. So wird ein und dieselbe Szene aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, was ich sehr spannend fand. Ein paar Kapitel spielen einige Jahre nach der Haupthandlung und klären den Leser auf, wie die ganze Geschichte ausgegangen ist. Das erfährt man allerdings wirklich erst im letzten Kapitel.