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Rezension zu
Das Tal der Blumen

Die Nächsten

Von: Bjoernandbooks
19.11.2023

Sie hat das ganze Leben noch vor sich. Vermeintlich. Sie ist gerade im Begriff, sich von ihrer Familie abzunabeln, zum Studium nach Dänemark zu gehen und ihrer Heimat Grönland ein Stück weit den Rücken zu kehren. In dieser Zeit des Umbruchs tritt Maliina ihr Leben, und eine zarte Liebe erblüht, die sie zunächst nicht wirklich wahrhaben will, scheint ihr so viel Glück doch zu viel des Guten zu sein. Doch die Beiden raufen sich zusammen, gestehen sich ehrlich und direkt ihre Gefühl füreinander, gehen eine Beziehung ein, auch auf die Gefahr hin, an der großen Distanz zwischen Grönland und Dänemark zu scheitern. Im fernen Europa gelingt es ihr nur mühevoll, Anschluss zu finden, scheinen Grönländer*innen doch hier einen Exot*innenstatus zu genießen. Eine Hiobsbotschaft erreicht sie: Maliinas Cousine nimmt sich das Leben, ein weiterer Suizid in ihrer unmittelbaren Umgebung. Um ihrer Freundin zur Seite zu stehen, reist sie in die Heimat und besucht dort auch das „Tal der Blumen“, einen Friedhof für namenlos bleibende Tote, die selbst für die Beendigung ihres Lebens gesorgt haben. In ihr beginnt, etwas aufzubrechen und schließlich zu zerbrechen... „Du warst eine tickende Zeitbombe. Alle schienen nur darauf zu warten, dass es dir gelingen würde, du konntest nicht gerettet werden, du konntest dich nicht selbst retten, weil keiner daran geglaubt hat, dass es dir gelingen würde“ (S. 151) In Grönland ist die Quote der Suizid-Toten am höchsten, ein Faktum, das die bildet Grundlage für die Erzählung um die namenlose Protagonistin, die sich in ihrem Leben immer wieder mit dem selbst gewählten Lebensende von Freund*innen und Verwandten auseinandersetzen muss. Diese Konfrontation zerrt an ihrer Seele und führt zu einem ungleichen Kampf. Niviaq Korneliussen breitet ein Panorama der mir bislang völlig unbekannten Gesellschaft Grönlands aus, exemplifiziert an ihrer Ich-Erzählerin eine Generation junger Menschen, die sich einer gewissen Perspektivlosigkeit gegenübersieht. Auch die meteorologischen Umstände, die lang anhaltende Dunkelheit, sorgen für Schwermut und anhaltende Depressionen, Gemütszustände, die die Jugendlichen an den Rand des Ertragbaren führen. Die Protagonistin versucht, diesem Schicksal zu entgehen, sich eine Zukunft aufzubauen. Auch die Beziehung zu Maliina lässt sie hoffen, auch wenn es ihr schwerfällt, diesen positiven Emotionen zu vertrauen. Korneliussen lässt ihre Ich-Erzählerin wie ein gespanntes Gummiband auf die Welt los, zunehmend unberechenbar in ihren Reaktionen. Hat man als Leser*in zu Beginn hauptsächlich das Gefühl, über das Leben einer etwas schrägen, unsicheren jungen Frau zu lesen, so nimmt die Fragilität ihrer seelischen Konstitution mit fortschreitender Lektüre immer weiter zu. Korneliussen streut zu Beginn ihrer Kapitel Details über Suizid-Opfer ein und setzt damit einen klaren Ton für ihren Roman, kreiert eine Atmosphäre voller drohendem Unheil am Horizont. Gerade im letzten der drei Teile ziehen sich die erzählerischen Schlingen immer weiter zu und kulminieren in einem auch sprachlich-metaphorischen Gedanken- und Gefühlsstrom. Mit ihrer kreativen Narration, die das Innenleben der Protagonistin pointiert illustriert, macht Niviaq Korneliussen nahezu alles richtig. Ihre Erzählkomposition und -konstruktion ist stringent, nachvollziehbar und gleichzeitig besonders, ihre Figuren sind von mehrdimensionaler Tiefe, und sie schafft es brillant, ein so brisantes Thema wie die Häufigkeit von Selbstmorden in einer Gesellschaft zu einer persönlichen Geschichte voller Emotionen zu formen. Minimer Wehmutstropfen: Eben diese Emotionalität wollte sich bei mir final nicht mit vollster Wucht einstellen, ließ mich ein wenig auf Distanz, ohne dass ich diese konkret kausal benennen könnte. Deswegen: ein großartiger Roman, der uns Grönland und seine Einwohner*innen ein ganzes Stück näherbringt!

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