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Rezension zu
Goethe für Kinder

Peter Härtling liest Goethe für Kinder

Von: artTEXTart
10.04.2017

An Goethe kommt in Wetzlar keiner vorbei. Das dachte ich bisher. Überrascht habe ich in meinem Kunst-Sehen-Workshop, bei dem es um das 3Steps Werther-Mural am Lottehof in Wetzlar ging, dass dem nicht so ist. Goethe und Kinder das scheint für viele nicht kompatibel und das, obwohl die Stadt Wetzlar spezielle Kinderstadtführungen anbietet, die um das Thema Lotte und Goethe in Wetzlar kreisen. Erstaunlich, dass viele Kinder (in diesem Fall der überwiegende Teil der Kinder der Altersklasse 8-12) noch nie von Goethe gehört haben oder den Namen mit nichts verbinden können. Durch die Lektüre Die Schule der magischen Tiere bin ich auf das Thema Goethe für Kinder aufmerksam geworden, denn die Ballade Zauberlehrling ist das Leitthema von Nass und Nasser, dem 7. Band von Die Schule der magischen Tiere (Werbelink). Er war für mich der Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit Goethe – zunächst in der Kunst. Gemeinsam mit den Kindern meines Kunstworkshops hatte ich nach dem Zauberlehrling in der Kunst gesucht. Ernst Barlachs grafischer Zyklus bildete die Basis, um sich einerseits mit Kunst und andererseits mit Wortkunst zu beschäftigen und den Inhalt der Ballade zu erarbeiten. (Nachzulesen ist das, mit einigen anderen Zeugnissen künstlerischer Auseinandersetzung in meinem Blogartikel ART meets TEXT meets ART: Goethes Zauberlehrling). Auf der Suche nach Goethe-Materialien für Kinder war ich bereits auf das Audiobook des Zauberlehrlings gestoßen, in dem Rufus Beck eine kindgerechte Erzählung von Barbara Hazen liest und anschließend den Originaltext Goethes interpretiert. Eine passende Ergänzung, die ein umfassenderes Bild Goethes vermittelt, ist die CD Peter Härtling liest Goethe für Kinder: Ich bin so guter Dinge, die ebenfalls im Hörverlag erschienen ist. Ich habe das Glück vom Verlag ein Rezensionsexemplar bekommen zu haben, das mich in meiner Arbeit bereichert. Peter Härtling, vertraut und gealtert Peter Härtling ist ein Autor, der besonders meiner Generation vertraut ist. Kinder, die in den 90ern in die Schule gegangen sind, ist der Name ein Begriff, war er doch fester Bestandteil des Lehrplans. Auch als Sprecher ist Härtling vertraut, wenn doch ich etwas stutzte über die sehr gealterte Stimme, die an einen Märchenerzähler erinnert. Sympathisch und fesselnd, angenehm warm ist Härtlings Stimme. Unweigerlich muss ich an die Ringelnatz CD derselben Reihe denken, die ebenfalls von Härtling gesprochen wird und die ich mir direkt sehr gelungen vorstelle. 300 Jahre erfordern eine Einführung Die mittlerweile seit Goethe vergangenen knapp 300 Jahre haben vor allem die Sprachgestalt verändert. Aber auch das Alltagsleben, die subjektiven Erlebniswelten. Darauf führt Peter Härtling ein, indem er kurz auf Goethes Kindheit eingeht. „Goethe ist nie ein Kind gewesen“ schildert sehr kindgerecht den Umgang mit Kindern als kleine Erwachsene, der im 18. Jahrhundert noch immer üblich war. Hauptsächlich seine Ausbildung im Kupferstechen, Schreiben und Übersetzen wird geschildert aber auch das eindrückliche Erlebnis der Hinrichtung einer Kindermörderin auf dem Frankfurter Römer, der der 9-jährige Goethe zuschauen musste. Für die damalige Zeit sicher üblich, für heutige Verhältnisse einem Kind nicht zumutbar. Ein Ereignis, das unstrittig Spuren in der Psyche eines Kindes hinterlässt und es in seinem Leben prägt. Vor dieser Erfahrung erklären sich einige Goethes Schriften und Motive. Härtling schildert einfühlsam, dass dieses abschreckende Erleben von Enthauptungen und Hinrichtungen zum kindlichen Alltag vor 300 Jahren gehörte, was Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ selbst beschreibt. Härtling beschreibt das und andere Ereignisse aus Goethes Kindheit, um zu erklären nach welchen Kriterien er die Gedichte für diese Kinder CD ausgewählt hat. Die Stücke sind unterschiedlicher Länge, von kurzen lyrischen Werken, über Balladen zu Briefen – die Auswahl ist breit gefächert. „Kinderleicht war [diese] Aufgabe nicht.“ Die ausgewählten Werke Es beginnt mit Gedichten des jungen Goethe, der Sturm- und Drangzeit. Die Gedichte werden immer von kurzen Hinweisen und Einschüben unterbrochen. So verweist Härtling beispielsweise darauf, dass einige Gedichte bekannt sind, weil es sie auch in Liedform gibt wie beispielsweise das Heidenröslein. Es sind auch komische Verse ausgewählt worden, die bei Kinder für Heiterkeit sorgen, auch aufgrund der einfachen Sprache und der Nutzung „verbotener“ Wörter: „O wie lallt das Kind so faul, hat den Brei noch nicht verschluckt, den ihm die Mutter strich ins Maul.“ Witzige Briefe, beispielsweise an seine kleine Schwester Cornelia, runden die Auswahl ab. Goethe wird als sympathischer Mensch inszeniert, der die natürlichen Schwächen eines großen Bruders ebenso zeigt wie banale Alltagssprache. Härtlings Lieblingsgedicht ist ebenfalls dabei: Ich wollt, ich wär ein Fisch. Er ermutigt dabei die Strophen auswendig zu lernen, gern auch Strophen auszulassen. Dank des Reimschemas und Sprachwitzes ist dieses Gedicht super für diese Form der Gedächtnisübung vorzuschlagen. Härtling greift diese stilistischen Elemente auf und verweist explizit darauf bevor er Gedichte wie „Es fing ein Knab“ vorträgt. Damit lenkt er die Achtung der Kinder behutsam aber bewusst auf das Wesentliche und fängt jede Aufmerksamkeit. Spannend – vor allem für alle Hessen – ist das Gedicht Zugabe, das Frankforterisch geschrieben ist. Härtling gibt sein bestes in Mundart vorzutragen, stößt dabei aber deutlich an seine Grenzen. Peter Härtling unterbricht zwischen den einzelnen Titeln und erinnert damit an einen Erzähler, der mit dem großen Buch in der Hand, in die Runde schaut, auf fragende Gesichter reagiert und eine gewisse Interaktivität erzeugt. Er vermittelt damit Wissen, beispielsweise erklärt er den Begriff der Ballade, bevor Erlkönig und Zauberlehrling rezitiert werden. Es gelingt ihm damit außerdem eine abgleitende Aufmerksamkeit erneut aufzufangen. Besonders bei älteren Kindern und Erwachsenen funktioniert das in jedem Fall. In der Hörprobe erklärt Härtling die Ballade, was sehr exemplarisch für seinen Erzähl- und Erklärstil ist. Der Zauberlehrling Diese Ballade mag ich gesondert beschreiben, da ich sie bereits in zwei anderen Blogbeiträgen thematisiert habe. Peter Härtling muss sich dem Direktvergleich mit Rufus Beck stellen bzw. eher andersherum. Ich habe zuerst die Variante von Rufus Beck gehört und fand sie ganz nett. Sie bleibt sprachlich deutlich hinter dem zuvor gelesenen Text von Barbara Hazen zurück ist aber in Folge gehört die passende Fortsetzung. Im direkten Vergleich zu Peter Härtling kann Rufus Becks Interpretation nur verlieren. Ausdrucksstark, episch ansprechend füllt Härtlings Stimme das Gedicht. Ein Genuss zuzuhören. Direkt entstehen Bilder im Kopf, die nicht unbedingt einer erklärenden Story a la Hazen vorab bedürfen. Sehr gelungen. Allein diese Darbietung rechtfertigt die Anschaffung der CD.

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