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Rezension zu
Der Anruf

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Mit (sehr) langem Anlauf

Von: Michael Lehmann-Pape
22.04.2016

Auch nach Beendigung seiner „Touristen“ bleibt Steinhauer auch in diesem Roman dem Genre, dem Umfeld der Agenten und Spione, treu. Dies allerdings in weitgehend ganz anderer als bis dato bei ihm gewohnter Form. Weniger Spannung und auch die gewisse Portion Action stehen bei diesem Roman im Vordergrund, sondern eher wird der Hintergrund des „Falles“ zum Vordergrund gemacht, Und dabei geht Steinhauer dieses Mal äußerst langsam vor. Lässt „das Ereignis“ lange nur in Randbemerkungen erscheinen, bevor er sich langsam der Schilderung jener Ereignisse dann wirklich zuwendet, die im Buch bereits einige Jahre zurückliegen. Terrorismus, ein entführtes Flugzeug in Wien, ein Dienst, der einsatzbereit dagegen vorgehen könnte und ein Verrat, der alles zunichtegemacht hat. Doch, wie erwähnt, zunächst sind diese Ereignisse maximal hintergründig im Roman vorhanden, breiten Raum dagegen nimmt das Widersehen zweier Agenten ein, die damals vor Ort waren, zusammengearbeitet haben, eine Beziehung miteinander führten. Bei der dem Leser von Beginn an klar ist, dass Henry, der männliche „Außenagent“, bis zum gegenwärtigen Tag nicht wirklich mit dieser Liebe abgeschlossen hat. Wie das bei Celia, damals im Innendienst in Wien, aussieht, das lässt Steinhauer lange Zeit in der Schwebe und gibt höchstens allerkleinste Hinweise in den inneren und äußeren Dialogen und Erinnerungen, die das Buch fast vollständig füllen. Mehr und mehr treiben, drehen sich die Erinnerungen der beiden Protagonisten (aus deren Perspektive Steinhauer seine Geschichte im Wechsel erzählt) auch um die anderen, damals wichtigen Agenten. Personen, die der Leser in großer Breite und sehr umfänglich kennenlernen wird. Was zwar eine Vertrautheit mit dem „Personal“ des Romans herstellt, aber auch manche ausgeprägten Längen im Ablauf mit sich bringt. Klar ist, irgendwo muss es ein Leck gegeben haben. Es gab diesen Anruf, der das ganze Kommando gegen die Entführer zum Scheitern brachte, der das Fiasko nach sich zog. „Wer keine Fehler macht, ist kein richtiger Mensch. Er kratzt nur an der Oberfläche des Lebens“. Aber war es nur ein Fehler? Oder ein falsches Denken? Oder gar richtig, was damals angerichtet wurde? So dreht sich der Leser bald mit im allgemeinen Rätselraten, das eher der Intention eines klassischen Kriminalromans folgt in der alles entscheidenden Frage, wer der Täter oder die Täterin damals war und ob es jemand ist, der zentral im Buch seine Rolle spielt oder doch einer von denen, die eher am Rande nur erwähnt werden. Diese Erinnerungen und die Klärung des Verhältnisses zwischen Henry und Celia in der Gegenwart nehmen allerdings, bei aller sprachlichen Feinheit Steinhauers, doch einen zu breiten Platz ein. Letztendlich passiert einfach nichts und werden Kleinigkeiten aufgeblasen (Henry nimmt das erste Gespräch heimlich auf, was fast unsinnig erscheint, da Celia auch geredet hätte und zudem davon ausging, dass ihre „Erinnerungen“ mitgeschnitten werden). Zwar nimmt das Buch zum Ende hin deutlich an Fahrt (und auch an Spannung) auf, doch zu lange verbleiben zu viele Längen. Die andererseits auch nicht einfach überblättert werden können, denn in all dem an Dialog und Erinnerungen könnten entscheidende Hinweise auf den Verräter (oder die Verräterin) zu finden sein. Alles in allem eine intelligente und in den Personen einprägsame Lektüre, die manche Längen allerdings mit sich bringt.

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