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Rezension zu
O Brother

Die Geschichte eines trauernden Bruders

Von: booksnotdead.de
01.06.2024

Puh, ich glaube, ich war Anfang 20 als ich John Nivens Durchbruch „Kill Your Friends“ (mit Freude) gelesen habe. Ein dunkler, satirischer Roman über die Londoner Musikindustrie in den späten 90ern. Vielleicht kennt ja der eine oder die andere die Filmadaption mit Nicholas Hoult. Jedenfalls hatte ich seit dem eigentlich keine Berührungspunkte mehr mit dem Autor, die Nachfolger haben mich vom Klappentext her irgendwie nie so richtig interessiert. Bis ich in der Frühjahrsvorschau sah, dass Niven eine Art Memoir veröffentlicht und sich darin mit dem Suizid seines jüngeren Bruders auseinander gesetzt hat. Und dieses besagte Buch hat mich mitten ins Herz getroffen. „Oh, Gary – was hast du jetzt wieder angestellt?“ – eine Frage, die Nivens kleiner Bruder von kleinauf immer wieder zu hören bekam. Denn irgend etwas hat er immer angestellt. Als eines Nachts vor ca. 14 Jahren das Telefon klingelte und Nivens damalige Partnerin ihm den Hörer mit der Aussage „es geht um deinen Bruder“ in die Hand drückte, dachte er diesen Satz zum letzten Mal. Denn dieses Mal hat Gary etwas richtig Schlimmes angestellt. Er hat sich das Leben genommen. 14 Jahre hat John Niven gebraucht, um über den Verlust seines Bruders zu schreiben. Und herausgekommen ist dabei eine extrem unterhaltsame, manchmal zum Schreien komisch und nicht weniger traurige literarische Reise in die Vergangenheit der beiden Niven-Brüder. John ist der Ältere und Harmlosere von den beiden. Er wälzt Bücher, verliert früh sein Herz an die Musik – die Entdeckung von Joe Strummer beeinflusst sein Leben maßgeblich. Er macht einen akademischen Abschluss und arbeitet später erfolgreich in der Musikindustrie und als Bestseller-Autor. Gary hingegen ist von Anfang an das schwarze Schaf in der Familie. Er war schon als Kind zornig, cholerisch und unangepasst. Früh kommt er mit den falschen Leuten in Kontakt und führt von da an ein von Drogen, Arbeitslosigkeit und hohen Schulden geprägtes Leben. Hinzu kommen im Alter immer öfter schlimme Anfälle von Cluster-Kopfschmerzen, die Gary vermutlich immer weiter stärkere Drogen konsumieren lässt. Mit 42 setzt er seinem Leben ein Ende. Für die Familie ist es ein Schock, denn trotz aller Probleme und Unstimmigkeiten hingen die Geschwister sehr aneinander. Niven macht sich Vorwürfe und versucht im Schreibprozess diese mehr oder weniger zu entkräften. Und dabei ist er schonungslos ehrlich zu sich selbst und zu seinen Leser*innen. Auf seinen typischen schwarzen Humor und seine Bissigkeit muss man nicht verzichten, es gibt einige Passagen, die zum Schmunzeln einladen. Aber dafür auch einige, die für feuchte Augen sorgen. Ein herzzerreißender Text, der ganz persönlich davon berichtet, wie es ist, zwar die Herkunft zu teilen, sich aber im Laufe des Lebens in verschiedenen Welten zu verlieren. Unbedingte Leseempfehlung. Aus dem schottischen Englisch von Stephan Glietsch. Vielen Dank an btb und für das Rezensionsexemplar.

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