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Rezension zu
Meine Katze Jugoslawien

Von Schlangen und Katzen, Ängsten und Hoffnungen

Von: Bjoernandbooks
05.05.2024

Emine wird früh in ihrem Leben verheiratet, zieht zu dem ihr nur von einer flüchtigen Begegnung bekannten Bayram, der sich schon bald keineswegs als DER Traummann herausstellt. Mit ihm bekommt Emine im von aufkommenden Kriegswehen gebeutelten Kosovo fünf Kinder. Als die Unruhen immer verheerender werden, beschließt Bayram die Flucht für die Familie. Er entscheidet sich für Finnland als Auswanderungsziel. Dort fällt den Eltern die Anpassung an die bestehenden Verhältnisse schwer, während die Kinder, allen voran der jüngste Sohn Bekim, sich schon bald sprachlich wie auch bezogen auf ihre Identität im neuen Land integrieren. Bekim suchen Alpträume heim, Alpträume von Schlangen, die ihn bedrohen, ihm nach dem Leben trachten. Nach einer vermeintlichen „Heilung“ setzt sich der Entfremdungsprozess sukzessive fort. Inzwischen erwachsen lebt er komplett für sich, nur mit den Geistern seiner Kindheit – bis der queere junge Mann in einer Bar auf eine sprechende Katze trifft... „[D]ann würde er verstehen, dass der Schluss von Geschichten nicht annähernd so interessant ist, wie die Einzelheiten am Anfang, in denen das Dahintreiben eines Menschenwracks im Geröll seines Lebens zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Protagonist […] seine Kumpels zum Essen in ein teures Restaurant einlädt, obwohl er überhaupt kein Geld hat“ (S. 304) „Meine Katze Jugoslawien“ - schon der Titel verspricht Skurrilität und Witz. Doch Statovcis bereits zehn Jahre alter Debütroman kann noch so viel mehr, zeichnet sich durch einen ungemein scharfen Blick auf Identitätsfindungen und die Träume junger Menschen im Kampf mit ihrer eigenen Herkunft aus und würzt die Erzählung mit einer kraftvoll subtilen Sprache. Statovci lässt die zwei Nationen aufeinanderprallen, die auch in seiner eigenen Biographie fest verankert sind. Als Kleinkind ist er mit seinen Eltern aus dem Kosovo nach Finnland geflohen. Diesen Weg gehen auch Bayram und Emine mit ihren Kindern – eine Entscheidung, die geprägt ist von Kompromissen, von Ängsten, Nöten und Anpassungsschwierigkeiten. Emine, die sich für ihre Familie aufopfert, die trotz der Gewaltbereitschaft ihres Mannes stets für ihn und ihre Kinder einsteht, repräsentiert dennoch gleichzeitig die Stärke als Frau, sich trotz aller Dysfunktionalitäten nicht zu verlieren, die Kraft zu behalten, für sich einzustehen – und sei es erst nach vielen Jahren. Statovci gibt Emine ein Gesicht, das sich durch Würde und Stolz, gleichzeitig aber auch durch Verletzlichkeit und Verletzbarkeit auszeichnet, eine Frau, die sich der Fehler in der Erziehung ihrer Kinder bewusst wird und vorsichtig versucht, diese wieder gut zu machen. Die Zeichnung seiner Protagonistin gerät dadurch ungemein facettenreich und authentisch, zu keinem Zeitpunkt beschönigend. Im zweiten Erzählstrang lässt Statovci den inzwischen erwachsenen Bekim zu Wort kommen, der die Traumata der Kindheit noch immer fest in Leib und Seele verankert hat. Tiere spielen hier eine wesentliche Rolle auf der metaphorischen Ebene, repräsentieren sie doch die Ängste aus frühen Jahren. Während Bekim eine Schlange als Haustier hält, wählt er eine sprechende Katze als potentiellen Partner – oder ist das alles nur ein Traum? Pajtim Statovci würzt seine erzählerischen Qualitäten mit der perfekten Dosis magischem Realismus, der sinnbildlich perfekt das seelische Innenleben Bekims abbildet. Trotz der Seriosität der verhandelten Themen gelingt es vortrefflich, einen stets leichten Ton zu bewahren, niemals ins Larmoyante abzudriften und dennoch (oder gerade deswegen) seine Charaktere jederzeit vollkommen ernst zu nehmen. Nach dem von mir ebenfalls extrem gemochten „Grenzgänge“ ist „Meine Katze Jugoslawien“ ein weiteres Zeichen für die exzellenten erzählerischen Qualitäten Pajtim Statovcis, der wie kaum ein Zweiter das Lebensgefühl einer nicht nur, aber auch queeren Balkan-Generation herausarbeitet. Eine unbedingte Leseempfehlung!

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