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Rezension zu
Lese gefährlich

Sind wir bereit unseren inneren Frieden lesend in Gefahr zu bringen?

Von: ins_lebenlesen
02.05.2024

Gefährlich lesen, ja, das ist es, was ich will! Und zwar in erster Linie gefährlich für mich. Ich bin keine Leserin, die „vom Lesen Behaglichkeit und Trost erwartet und daher nur Texte liest, die eigene Überzeugungen und Vorurteile bestätigen.“ (S.18) Meine Highlights sind allesamt Bücher, die einen Change bei mir bewirkt haben, die mich zu einer radikal neuen Sicht auf ein Thema inspiriert haben. Deswegen ging mein Puls sofort auf 180 als ich eine Besprechung mit einem Interview der iranisch-amerikanischen Autorin zu diesem Buch hörte. Denn sie erzählte, welche Kraft Literatur als Waffe besitzt und wie sich die Gesellschaft verändern lässt, wenn LeserInnen sich dieser Kraft bewusst werden und sie nutzen. Sie erzählte, wie autoritäre Herrscher uns mit „intellektueller und geistiger Bequemlichkeit“ verführen. „Wenn wir aufhören zu denken, liegt uns auch nichts mehr am Herzen.“ S.71 Das ist es, was sie wollen, dass uns nichts mehr am Herzen liegt. Und sind wir nicht auch oft kurz davor? „Unsere Geschichte hält einige Lehren bereit für Menschen, die in demokratischen Gesellschaften leben und die schleichenden, heimtückischen Gefahren für eine offene Gesellschaft nicht wahrnehmen.“ „Wie konnte so etwas im Iran passieren?“ „Wie konnte es zu Trump in Amerika kommen?“ S.61 Azar Nafisi erzählt in fünf Briefen AN ihren bereits verstorbenen Vater auch ÜBER ihn, der ihr schon früh mit weltoffenem Geist freies Denken, Haltung und die Kraft der Literatur vermittelt hat. Sie erzählt ihm von den Büchern, die sie im Widerstand gegen die totalitären Dogmen nach der iranischen Revolution und später in ihrem Exil in den USA unter der Trump-Regierung begleitet haben. Auf einer fiktionalen Ebene diskutiert sie ihre Thesen über die Gefährlichkeit des Lesens mit ihm, stellt sich seinen fiktiven kritischen oder sogar provokanten Fragen. In jedem der fünf Briefe stellt sie AutorInnen, die die Welt, ihre Welt, mit Literatur in Atem gehalten haben, in den Mittelpunkt: u.a. Salman Rushdie, David Grossman, Margret Atwood, James Baldwin, aber auch Platon und Sokrates. Diese Verbindung zwischen sachlichen Inhalten und der Zwiesprache mit dem Vater bezieht mich persönlich mit ein und bringt mich ins Arbeiten. Bin ich bereit, meinen inneren Frieden lesend in Gefahr zu bringen? Ja, die Welt ist voller schrecklicher Dinge, die wir am liebsten nicht an uns heran lassen wollen. Aber der Wunsch, es bequem zu haben, darf uns nicht kampflos machen. Ab und zu sollten wir die Bequemlichkeit aufgeben. Gern würde ich in die Diskussion mit Nazar Afisi einsteigen. Denn sie provoziert auch. Warum zum Beispiel redet sie so oft von „unseren Feinden“, wenn sie für eine Auseinandersetzung mit Widerständen plädiert und einlädt, aufeinander zuzugehen, anstatt sich mit Ideologien zu bombardieren. Es ist auch eine Streitschrift, eine Einladung, ein Manifest. Ich fand es aufregend, mich damit auseinanderzusetzen und habe meine Waffen geschärft. Waffe? Ist das nach allem überhaupt das richtige Wort? „Im Grunde wird auf diese Weise jedes große Werk der Fantasie zu einer Bedrohung. Die Fantasie lässt sich nicht beherrschen und reglementieren; ist frei und eigensinnig und verweigert sich den Zwängen einzelner Ideologien.“ S.37

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