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Rezension zu
A Haunting in Venice - Die Halloween-Party

Eine unerwartet komplexe Geschichte, die zum Mitraten einlädt

Von: Chridhe
08.11.2023

Wenn man einen Blick auf die offizielle Inhaltsangabe wirft, fällt eines gleich auf: Die Geschichte hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit der 2023er-Verfilmung von Kenneth Branagh zu tun. Sie spielt weder in Venedig, noch geht es hier um eine Séance, in der man Kontakt zu einer Verstorbenen aufnehmen will. Einige handelnde Personen tauchen mit Namen auf, aber nicht jeder, der in Christies Geschichte bereits verstorben ist, ist dies auch im Film (und umgekehrt); auch die jeweiligen Geschichten und Motivationen weichen deutlich von der literarischen Vorlage ab. Warum man sich für diese Geschichte und gleichzeitig doch zu diesen gravierenden Änderungen entschlossen hat, erläutert Drehbuchautor Michael Green interessierten Lesern am Ende des Hörbuchs sehr detailliert. Aber auch so ist die dem Film sehr lose zugrundeliegende Geschichte von Agatha Christie spannend und besticht durch viele überraschende Wendungen. Wir haben es mit einem eigentlich typischen Poirot-Fall zu tun: Der Detektiv selbst ist bei der Tat nicht zugegen, wird aber später hinzugezogen, um den Täter (oder die Täterin) zur Strecke zu bringen. Das gelingt dem Belgier primär durch Gespräche mit allen Beteiligten, in denen er die Fakten und Hintergründe zusammenträgt. Und dann setzt er das Puzzle zusammen. Das ist sicher auch der Grund, warum diese (und ähnliche Christie-Geschichten) primär aus Dialogen mit den verschiedenen Charakteren bestehen; Beschreibungen, Gedankengänge sind hier Mangelware. Allerdings hat das Ganze einen großen Vorteil: Dem Leser bzw. der Leserin stehen exakt dieselben Informationen zur Verfügung wie dem ermittelnden Detektiv, sodass sie jederzeit auf dem gleichen Stand sind wie Poirot und ihre eigenen Schlüsse ziehen können. Der Kriminalfall selbst ist eine echte Herausforderung. Zum einen versteht es Agatha Christie, viele Spuren zu legen und den Zuhörer zu verwirren (die Ermittler natürlich auch). Zum anderen bekommen wir es in Die Halloween-Party mit diversen Todesfällen und potenziellen Morden, mit dem Verschwinden von Personen sowie mit Charakteren zu tun, die ihre ganz eigene Sicht der Ereignisse haben und teilweise nicht ganz vertrauenswürdig sind – nicht einmal das Opfer selbst –, also eine facettenreiche Story, mit allem, was Krimileser so lieben. Dies verlangt dem Zuhörer viel Aufmerksamkeit bzw. Konzentration ab. Vor allem auch, weil Hercule Poirot erst einmal herausfinden muss, von welchem alten Mord Joyce denn gesprochen hat – und wie es sich für einen kleinen Ort in einem englischen Krimi gehört, ist die Todesrate erstaunlich hoch! 😉 Zum anderen gibt es einen großen Fundus an handelnden Figuren, was es gerade dem Käufer eines Hörbuch-Downloads erschwert, der Handlung zu folgen. Auch die Anzahl an möglichen Tätern bzw. Täterinnen und Motiven ist groß: Da haben wir Rowena Drake, die Eigentümerin von Apple Tree, dem Haus, in dem die Halloween-Party stattfand; Judith Butler, eine Bekannte von Ariadne Oliver und junge Witwe; Michael Garfield, ein etwas seltsamer Landschaftsgärtner; Elizabeth Whittaker, Mathematiklehrerin an der Schule The Elms; Miss Emlyn, Schulleiterin an dieser Schule; Mrs Goodbody, eine Putzfrau aus dem Ort, die auf der Feier die Hexe gespielt hat; Nicholas Ransom und Desmond Holland, zwei Jungen, die ebenfalls auf der Party waren und einen Hang zum Unsinn haben … und einer von ihnen hat aus Eifersucht, Geldgier, Enttäuschung oder anderen Gründen vielleicht nicht nur einen Mord begangen. Zum Hörbuch Gelesen wird die mir vorliegende Fassung von "Die Halloween-Party" von Thomas Loibl. Loibl hat eine sehr angenehme Sprech- und Erzählweise, sodass man ihm gern zuhört. Ansatzweise versucht er auch, den unterschiedlichen Figuren verschiedene Sprechweisen zu verleihen, sodass der Zuhörer nach einiger Eingewöhnungszeit zumindest erahnt, ob hier gerade z. B. Ariadne Oliver spricht oder ihre Bekannte Judith Butler oder eine der anderen Frauenfiguren. Bei den männlichen Akteuren und den Kindern/Jugendlichen gelingt ihm die Unterscheidung deutlich besser. Mein Fazit: Wenn man erst einmal über die Verwirrung hinweggekommen ist, dass die Geschichte weder etwas mit Venedig noch mit Geistern zu tun hat, findet man sich in einer Krimihandlung wieder, die unerwartet komplex ist und zum intensiven Mitraten einlädt. Es gelingt Agatha Christie erneut, Spannung aufzubauen, die unterschiedlichsten Handlungsfäden gekonnt zu verweben und ein atmosphärisches Setting zu schaffen – und so dafür zu sorgen, dass man das Buch bzw. Hörbuch nicht aus der Hand legen kann. Was das Ganze nicht nur kurzweilig, sondern auch sehr schockierend macht, ist die Wahl des Opfers (der Opfer?). Wann habt ihr das letzte Mal einen Krimiklassiker gelesen, in dem eine Kinderfeier im Zentrum steht? Und in dem ein Kind ermordet wird?

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