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Rezension zu
Muna oder Die Hälfte des Lebens

Wie weit geht emotionale Abhängigkeit?

Von: Zeilentaenzer
26.10.2023

Seitdem sie ihn zum ersten Mal sah, ist Muna verliebt in Magnus. Ob und wen er liebt, bleibt unklar. Sie begibt sich in eine jahrelange Abhängigkeit, passt ihr Leben immer wieder dem seinen an und erträgt dafür sein unberechenbares Verhalten, das nicht selten in Gewalt mündet. Wie weit kann ein Mensch gehen, um geliebt zu werden? Als ich las, dass es sich bei dem Roman um den Auftakt einer Trilogie handelt, war ich begeistert. Denn obwohl ich normalerweise kein Freund von Reihen bin, war das in diesem Fall ganz anders, denn das Thema interessiert mich sehr. Emotionale Abhängigkeit war zeitweise auch Begleiter meines Lebens, wenn auch in völlig anderem Kontext, sodass ich sofort in die Gedankenwelt der Protagonistin eintauchen konnte. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass die Geschichte erschüttert und durchweg beklemmend ist. Nicht nur aufgrund meiner eigenen Biografie, sondern auch der Tatsache, dass Menschen mit fehlendem Zugang zu ihrem Selbst immer häufiger an narzisstische Persönlichkeiten geraten, machen es zu einem wichtigen aber vor allem faszinierenden Buch. Es ist das Jahr 1989. Muna ist achtzehn Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter im fiktiven Ort Jüris in der DDR. Die Geschichte beginnt mit einem großen Knall, als Muna ihre Mutter in einem bedenklichen Zustand vorfindet, bevor diese wegen einer Überdosis an Schlafmitteln und Alkohol ins Krankenhaus eingewiesen werden muss. Fortan beschreibt die Autorin die einseitige Beziehung von Muna zu Magnus. Sie ist selbstbewusst, unerschrocken und direkt, während er in sich gekehrt und zurückhaltend ist. Sie genießt die Gesellschaft anderer Menschen, während sie ihm missfällt. Muna ist verliebt in Magnus, seitdem sie ihn zum ersten Mal begegnete. Es ist eine Liebe, die nicht erwidert wird. Neben ihrem offenkundigen Selbstbewusstsein zweifelt die angehende Germanistin Muna an sich. Und diese nagenden Zweifel werden vom Fotoredakteur Magnus immer wieder neu entfacht. Das zeigt sich vor allem anhand der Dialoge, die Muna mit sich selbst führt. Ihre Eingebungen, auch in direkten Gesprächen mit anderen, bekommen viel Raum. Hierzu verwendet Terézia Mora Klammersätze, ein Stilmittel, das mir sehr gefiel. Als Leser:in lässt sich die Gedankenwelt von Muna gut nachempfinden. Trotz seiner unberechenbaren Art, seinem kühlen, fast abweisenden Auftreten, gelingt es Muna, Magnus auf eine gewisse Weise für sich einzunehmen. Die beiden beginnen sich häufiger zu treffen und bald kann Muna sich ein Leben ohne Magnus nicht mehr vorstellen. Dann aber verschwindet Magnus sieben Jahre lang spurlos. In dieser Zeit studiert Muna in London, lernt neue Menschen kennen, zieht nach Wien und arbeitet in verschiedenen Arbeitsfeldern. An ihrer Obsession für Magnus hat sich dennoch nie etwas geändert, was sich auch daran zeigt, dass sie für keinen anderen Mann offen scheint und ihn glorifiziert. Dann aber treffen beide erneut aufeinander und der Fluch setzt sich fort. Magnus interessiert sich vor allem für sich selbst, während sich in Muna mehr und mehr das Gefühl einnistet, unzulänglich zu sein. Sie hinterfragt ihr eigenes Verhalten äußerst kritisch, während sie sich für die unberechenbaren Gefühlsausbrüche seitens Magnus Verständnis abringen kann. Es scheint immer wieder unglaublich, welche Opfer Muna bringt, um ihn zufriedenzustellen. Sie mietet sich eine Zweitwohnung in Berlin an, wo Magnus zeitweise lebt, um in seiner Nähe zu sein, sie zieht mit ihm nach Frankreich und in die Schweiz, wo er lukrative Anstellungen annimmt. Magnus straft Muna mit Missachtung und Ablehnung, wenn er sich von ihrem Verhalten gestört fühlt. Besonders in der Öffentlichkeit behandelt er sie herablassend und überheblich. Auch wenn sie über jegliche Kompetenzen verfügt, sich ein selbstbestimmtes und zufrieden stellendes Leben ohne Magnus aufzubauen, sie in der Lage ist, Männer kennen zu lernen und das Leben mit ganzem Herzen fühlt, versucht sie Magnus an sich zu binden. Dies scheint bald ihr primäres Ziel zu sein. So nimmt sie Unterwürfigkeit und Missbrauch in Kauf, um von Magnus die Zuneigung zu erfahren, die sie sich wünscht. Neben ihrem Kampf um die Liebe eines Mannes, der nicht fähig zu lieben ist, ist es auch ein Kampf um Selbstverwirklichung. Terézia Mora schreibt so einnehmend und feinfühlig, dass ich mich fragte, ob der Roman autobiografische Züge aufweisen könnte. Sie erzeugt mit ihrem Schreibstil und ihrer aufopfernden Hauptfigur Muna einen großen Sog, der es unmöglich macht, das Buch beiseite zu legen. Das Gelesene regt auf, macht wütend und nachdenklich, es rüttelt wach und klagt an. Die Unberechenbarkeit seitens Magnus und die sich subtil anbahnende und weiter zunehmende Gewalt verursachten mir während des Lesens Gänsehaut. Genau so erging es mir mit dem Ende, das, ohne es vorwegnehmen zu wollen die Frage offenbart, wie weit Abhängigkeit gehen darf und ob sie je enden wird. Bewegender und aufrüttelnder Roman über eine Liebe, die immer mehr zum Albtraum wird. Kein Buch, das man vergessen wird.

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