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Rezension zu
Monster auf der Couch

Eine clever verpackte Geschichte, die kein Roman ist

Von: Zimteule
15.02.2022

Was wäre, wenn Ikonen der Schauerliteratur des viktorianischen Englands bei einer zeitgenössischen Psychologin auf der Couch Platz genommen und über ihre Gefühlswelt gesprochen hätten? Und: Wäre das spurlos an der Psychologin vorbeigegangen? Mit dieser Idee spielen die Autoren Jenny Jägerfeld und Mats Strandberg in „Monster auf der Couch“. Strandberg ist über Schwedens Grenzen hinaus für seine Horror-Fantasy-Romane („Die Überfahrt“, „Das Heim“) bekannt, Jägerfelds mit Preisen ausgezeichnete Literatur wendet sich oft an Kinder und Jugendliche („Der Schmerz, die Zukunft, meine Irrtümer und ich“). Hauptberuflich arbeitet Jägerfeld als Psychologin in Stockholm. Die beiden wissen also, wovon sie schreiben. Das Buch beginnt mit einem brieflichen Hilferuf an die schwedische Polizei. Die besorgte Verfasserin meldet ihre Frau – eine Psychologin, die „besondere Patienten“ empfangen hatte – als vermisst. Anbei erhalten die Ermittler die Patientenakten sowie Notizen und ausgedruckte E-Mails. Es ist genau jenes Material, das auch dem Leser von „Monster auf der Couch“ vorliegt. Die Namen der Psychologin, ihrer Ehefrau sowie ihrer Mentorin sind bis auf den Anfangsbuchstaben geschwärzt. In den Unterlagen finden sich handschriftliche Randnotizen, Zeichnungen, Flecken, Ränder von abgestellten Kaffeetassen, sogar eine Postkarte und ein echter Zeitungsartikel, in dem Jenny Jägerfeld als Psychologin ihre Meinung zu „Unbehagen gegenüber humanoiden Robotern“ äußert, sind dabei. Das Autorenduo hat erfrischende Einfälle auf Lager! Die Leser erfahren, dass J. vorhatte, die Erkenntnisse aus den Therapiesitzungen mit Dr. Jekyll/Mr. Hyde, Carmilla, der Familie Frankenstein inklusive des von Viktor Frankenstein erschaffenen Wesens und Dorian Gray für ein Buchprojekt zu verwenden. Die Sitzungen zeichnet sie mit der Videokamera auf, die Transkripte liegen dem Leser vor. Wie die Zeitreisenden es geschafft haben, in die Gegenwart zu gelangen, wird zwar nicht erwähnt, aber dass sie mit den Gepflogenheiten des modernen Lebens so ihre Schwierigkeiten haben – allein schon, dass sie von einer Frau behandelt werden, die auch noch einen Kurzhaarschnitt und Hosen trägt –, bringt eine weitere humorvolle Note in das Werk. Die Lektüre der Therapiesitzungen hat Kammerspielcharakter. Ein interessanter, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftiger Kniff – vor allem, wenn man einen Roman erwartet. Im Grunde geht es bei J.s Klienten ums Anderssein: Von Doktor Jekylls unterdrückten Trieben über die Bindungsunfähigkeit der Vampirin Carmilla bis zu Viktor Frankensteins Getriebenheit, den Tod überwinden zu wollen und Dorian Grays panische Angst vorm Altern. Und dazwischen die Psychologin J., die bei den so genannten Monstern auch immer wieder gewisse Parallelen zu sich selbst entdeckt. Der außergewöhnliche Stil macht viel Freude, sobald man sich hineingelesen hat. Professionelle Einblicke in das Seelenleben literarischer Gruselfiguren zu geben, ist eine clevere Idee. Man bekommt außerdem Lust, auch die Originale (wieder) zu lesen.

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