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Rezension zu
Algorytmica

Algorithmica

Von: Keinhorn
28.12.2021

Dieser Text lässt mich teilweise etwas ratlos zurück. Er ist einerseits ziemlich düstere Science- Fiction, eine gut durchdachte, atmosphärisch fein gezeichnete Virtual-Reality-Dystopie, die aber andererseits entlang einer manchmal recht klischeehaften Liebesgeschichte erzählt wird. Die Protagonistin ist Kaja Andersson, eine junge Frau, die zusammen mit 200.000 weiteren Überlebenden einer nicht näher beschriebenen Katastrophe hunderte Meter unter der Erdoberfläche in einer Bunkerstadt mit dem Namen „Hope of Tomorrow“ lebt. Da der Raum begrenzt ist, befinden sich ihre Körper in Aerobiose-Tanks, wo sie mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden. Der implantierte Chip ELSA steuert die Vorgänge, misst Vitalwerte, verabreicht – zur Not auch gegen den Willen der Person -- Medikamente und regelt außerdem den Zugang zum „Holovit“, einer virtuellen Realität, in der die Bewohner*innen der Hope ihr eigentliches „Leben“ verbringen. Programmiert wird das Holovit von Algorithmiker*innen, allen voran Kajas Vater, in dessen Fußstapfen sie treten soll. Kaja selbst ist nicht so begeistert von dieser Aufgabe. Sie scheint dafür nicht begabt und die in letzter Zeit immer häufiger vorkommenden Black-Outs, während derer die Bewohner*innen aus dem Holovit ausgeloggt werden und in ihren jeweiligen Kojen erwachen, erschrecken sie und zeigen ihr die schockierenden Fragilität ihrer Welt. Zusammen mit Liam, einem begabten jungen Algorithmiker findet Kaja heraus, dass die Black-Outs möglicherweise nicht natürlichen Ursprungs sind, was ihre Welt auf vielerlei Arten ins Wanken bringt. Fantasievoll beschrieben sind die virtuellen Umgebungen, durch die sich Kaja, Liam und die anderen Archebewohner*innen bewegen. Karneval in Venedig, magische Pferderennen, eine Lichtung im Wald, in der das Wettergeschehen die Stimmung der sich darin aufhaltenden Personen abbildet, die Villa am Meer, in der Kaja und ihre Eltern wohnen. Spannend auch, wie diese Umgebungen wirken, wenn sie durch die Augen der Protagonistin betrachtet werden, während sie z. B. die von ihrer Mutter selbst programmierten Speisen probiert. Das hat was von einer Achtsamkeitsübung, hat mich an Meditations-App-Einschlafgeschichten erinnert und damit aber auch daran, dass wir eben gerade keinen achtsamen Blick auf Kajas Welt bekommen, sondern uns mit ihr durch eine hochkünstliche Umgebung bewegen. Zudem ist diese Realität käuflich, nur die wohlhabenden Holovitinsassen können sich gute Programmierungen leisten. Eine durch Intrigen und Illoyalität verarmte Bekannte Kajas fristet hingegen ihr Dasein in einem tristen, flimmernden, fast zweidimensionalen Haus mit Speisen, die nach nichts schmecken. Die wahrhaft gruseligen Entdeckungen stehen dabei Kaja und Liam noch bevor. Die Liebesgeschichte hat mich irritiert. Erst fand ich erfrischend, dass eine gut gemachte Sci-Fi-Dystopie mal aus der Sicht einer weiblichen Protagonistin erzählt wird. Teilweise enttäuschend fand ich dann allerdings die Dynamik zwischen den beiden Held*innen. Er, der talentierte Supertyp, der die Mission am Laufen hält, sie wiederum ist schlecht in Mathe, zweifelt an allem und ihre Handlungsmotivation ist es (nicht immer, aber) häufig, ihn zu suchen, zu retten, mit ihm ein neues Leben in einer anderen Welt zu beginnen usw. Das hat mich genervt, bis im letzten Kapitel der Schauplatz und auch die Erzählperspektive radikal wechselten. Letzteres fand ich sehr abrupt, klang bisschen nach nahender Abgabefrist, aber insgesamt verändert sich in diesem Kapitel der Blick auf die Figuren so, dass ich mich gefragt habe, ob nicht gerade das Schablonenhafte, Klischeeartige in der Figurendynamik beabsichtigt gewesen ist. Es spiegelt ja eben genau das, was das Holovit ist: Eine künstliche Welt, durchwandert von Avataren, die zwar von realen Charakteren gesteuert werden, deren Interaktionen aber immer eine Künstlichkeit zugrunde liegt. Würde mich interessieren, ob das der Beginn einer Reihe wird, da viele Fragen nicht beantwortet wurden.

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