Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Kairos

Sehr tiefgründiger Roman, der unter die Haut geht

Von: Titzy
03.09.2021

"Kairos" ist der erste Roman, den ich von Jenny Erpenbeck lesen durfte. Inhaltlich lässt sich das Buch schnell zusammenfassen: Die erst 19-jährige Katharina verliebt sich in den 34 Jahre älteren, verheirateten Autor Hans. Das ungleiche Liebespaar zelebriert umfangreich ihre Liebe, bis Katharina fremd geht und die einstige Liebe in Hass umschlägt. Die eigentliche Dramatik erwächst aus dem Versuch von Hans, mit ihrem Fehltritt umzugehen. Ich hatte anfangs Mühe, mich in die ungewöhnliche Sprachgebung einzufinden: Einerseits benutzt die Autorin einen stark dokumentarischen Schreibstil, mit dem sie Vorkommnisse sachlich und fast abhakend zusammenfasst. Auf der anderen Seite besticht das Buch durch seinen poetischen Stil: Neben zahlreichen sprachlichen Wiederholungen, intermedialen Einflüssen und einer metaphorisch reichen Sprache zeichnet sich der Roman durch eine konsequente Nichtverwendung der Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede aus. Dadurch, dass das Werk aus der auktorialen Perspektive verfasst wurde und der Leser in ALLE Figuren hineinschauen kann, verwirrt dieser Nichtgebrauch der Zeichen anfänglich. Inhaltlich passiert nicht viel, obwohl die Figuren vor dem Hintergrund der Wendezeit agieren. Dadurch aber, dass Erpenbeck den Fokus auf Hans und Katharinas Umgang miteinander legt, geschichtliche Ereignisse und philosophische Anleihen einfügt, gewinnt das Werk an extrem viel Tiefe. Meiner Meinung nach legt die Autorin ganz klar die Sympathien auf die weibliche Hauptfigur, obwohl wir auch viel über Hans' Seelenstriptease erfahren. ACHTUNG SPOILER! Katharina begeht einen Fehltritt, indem sie sich zum Sex mit einem Bekannten hinreißen lässt. Sie liebt aber Hans. Das bekräftigt sie zumindest immer wieder. Sie gerät aufgrund dieser unbedingten "Liebe" in ein seltsames Abhängigkeitsverhältnis zu ihm, das sich mir bis zuletzt nicht erschlossen hat. Möglicherweise agiert sie ohne eigene Identität, weil sie noch so jung ist und ihre erste große Liebe nicht verlieren möchte. Hans betrügt sie immerhin wissentlich, da er mit seiner Frau verbandelt bleibt. Aber sein "Totreden", seine Aufarbeitung ihrer Verfehlung, ging mir am Ende ein wenig zu weit und hat mich genervt. Trotz mancher nicht immer nachvollziehbarer Handlungen der Hauptfiguren ist Jenny Erpenbeck ein großartiger Deutschlandroman geglückt, den man auf jeden Fall - um alle hintergründigen Informationen zu verstehen - nicht nur einmal lesen sollte. 4,5 Sterne von mir.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.