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Rezension zu
Eingefroren am Nordpol

Abenteuer Forschung. Mustread der Wissenschaftskommunikation.

Von: Koreander.net
23.12.2020

2020 wurde viel über Wissenschaftskommunikation geredet. Vielfach ausgezeichnet wurde der Virologe Christian Drosten für seine „außerordentliche[n] Leistungen für Wissenschaft und Gesellschaft angesichts einer dramatischen Pandemieentwicklung“. Dem soll nicht widersprochen werden. Im gleichen Atemzug sollte aber künftig auch „Das Logbuch von der ‚Polarstern‘“ von Markus Rex dem Expeditionsleiter von MOSAiC – International Arctic Drift Expedition genannt werden. Mit „Eingefroren am Nordpol“ liegt ein einzigartiges und wundervolles Sachbuch zur größten Arktisexpedition aller Zeiten vor. Eigentlich eine der herausragendsten Forschungsleistungen nach der Mondlandung. Leider geht das Ganze trotz fantastischer Wissenschaftskommunikation des Alfred Wegener Instituts aufgrund von Covid-19 ziemlich unter. Umso schöner ist es, dass Bertelsmann diesen grandios gestalteten Band mit zahlreichen Fotos, Infokästen und Schaubildern herausgegeben hat. Natürlich ist es im Wesentlichen kein Forschungsbericht, sondern ein Expeditionsbericht. Im Fokus stehen nicht wissenschaftliche Erkenntnisse, auch wenn diese immer unaufdringlich verwoben sind, sondern eine moderner (Wissenschafts)Abenteuerbericht. So wie Fridtjof Nansens Fram-Expedition vor über 100 Jahren, ist die Polarforschung nicht nur zahlenbasierte Naturwissenschaft, sondern auch ein Abenteuer der Menschheit zum Zwecke der Wissensgenerierung. Kein Selbstzweck, sondern Erforschung des Unbekannten und Bereitstellung evidenzbasierten Wissens, um die Zukunft des Menschengeschlechts auf diesem Planeten zu bewahren. Es waren schon immer diese Forschungsabenteuer, die die Menschen begeistert haben und die neue Wissenschaftlergenerationen beeinflusst hat. Man wird kein Polarforscher, weil man Statistiken mag. Man wird Wissenschaftler, weil es entsprechende Vorbilder gegeben hat. Ohne Amundsen, Cunningham, Foster, Krüger, Nansen, Scott oder Franklin hätte es auch keine MOSAiC gegeben. Wenn wir junge Menschen für die Wissenschaft begeistern wollen, brauchen wir Narrative wie die der „Polarstern“. Abenteuer Polarforschung Markus Rex ist dazu noch ein begnadeter Erzähler. Das ist unter Wissenschaftlern eher die Ausnahme. Hat man sich doch über Jahrzehnte einen sachlich-trockenen Schreibstil antrainiert. Wissenschaft soll eben möglichst objektiv und emotionslos daher kommen. Gut, dass sich Rex, zumindest für seinen Expeditionsbericht, eines lebhafteren Stils bedient. Die Leser*innen fiebern mit, bei dem Versuch die richtige Scholle zu finden, auf der der winterliche Drift stattfinden soll. Man spürt die Anspannung bei Begegnungen mit dem größten Landraubtier der Welt, dem Eisbären. Immer wieder fallen Menschen dem bis zu 300 Kilogramm schweren Bär zum Opfer. Entsprechende Vorsicht ist geboten. Eisbären sind von Natur aus besonders neugierig, was auch daran liegt, dass sie keine natürlichen Widersacher in der Arktis zu befürchten haben. Rex gelingt es eindrucksvoll zu schildern, wie wichtig es für Tier und Mensch ist, sich schnell und unmissverständlich als gegenseitig gefährlich wahrzunehmen. Für diesen Zweck setzen die Polarforscher Blitz-Knallmunition ein, die die Tiere vertreiben sollen. Was mal mehr und mal weniger gut klappt. Es ist aber äußerst angenehm zu lesen, wie sehr hier Ethik bei der Forschung eine Rolle spielt und die Tiere so minimalinvasiv wie irgend möglich vertrieben werden sollen, ohne ihnen zu schaden. Der Einsatz der Gewehre der Eisbärenwächter ist das letzte Mittel. Expedition in Zahlen Das Eis ist sowohl Heimat und Schutz als auch Gefahr für die Wissenschaftler. In der Spitze werden Minus 65 Grad gefühlte Temperatur gemessen. Hier sind Erfrierungen jederzeit zu befürchten. Aber auch bei Wärme ist der Untergrund gefährlich, kommt es doch zu Rissen und Spalten, kleinen Tauseen und später auch großen Brüchen, in die die Expeditionsteilnehmer*innen stürzen können. Sicherheit ist das oberste Gebot bei allem, was in der Arktis getan wird. Allein diese Beschreibungen sind hochinteressant. Andockmanöver mit anderen Eisbrechern zur Versorgung, das Leben an Bord, Aufbau der verschiedenen Camps und Messstationen runden den Bericht ab. Aber auch die unvorhersehbaren Konsequenzen der Covid-19 Pandemie werden beschrieben. An MOSAiC sind 19 Nationen beteiligt. Vier verschiedene Eisbrecher versorgen die Polarstern während ihrer Expedition. Während der Eisdrift legt die Polarstern etwa 2.500 Kilometer zurück. Über 600 Personen werden im Laufe des Jahres auf der Polarstern gearbeitet und geforscht haben. Etwa 150 Tage wird die Sonne nicht zu sehen sein. Die Messstationen werden bis zu 50km von der Polarstern entfernt sein. Die höchste Messung wird in 35.000 Metern und die Tiefste in 4.000 Metern stattfinden. Zum Wohle Aller Rex hebt auch die internationale Zusammenarbeit hervor, die nötig ist, die Probleme der Menschheit gemeinsam anzugehen. Ein Hoffnungsschimmer in gegenwärtigen Zeiten, bei denen man eher an der Menschheit verzweifeln möchte, als an sie zu glauben. Eingefroren am Nordpol ist eines der besten Wissenschafts-Sachbücher, das es gibt. Ein Forschungsabenteuerbericht, eine Expedition zur Untersuchung der Klimaveränderungen und zur Sicherung der Zukunft der Menschheit. Ein Mustread für jede*n Wissenschaftsbegeisterte*n, für Arktis-Interessierte, für Klimaaktivist*innen – eigentlich für Alle. Denn ohne das Wissen um die Klimaveränderungen, deren Ursachen und Folgen, ohne Wissenschaft und wissenschaftlichen Nachwuchs, brauchen wir uns über das meiste Andere eh keine Gedanken mehr zu machen.

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