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Rezension zu
Neun Fremde

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Hoffnung und Mistrauen auf engstem Raum

Von: misskessmesswrites
13.10.2019

Neun Fremde - Liane Moriarty Erscheinungstermin 26.08.2019 *unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar, an dieser Stelle vielen Dank an Randomhouse und den DIANA-Verlag Klappentext: Neun Fremde und zehn Tage, die alles verändern: In einem abgelegenen Wellness-Resort treffen fünf Frauen und vier Männer aufeinander, die sich noch nie zuvor begegnet sind. Sie alle sind in einer Krise und wollen ihr altes Leben hinter sich lassen. Bald schon brechen alte Wunden auf und lang gehütete Geheimnisse kommen ans Licht. Denn nichts ist so, wie es scheint in Tranquillum House … Neun Fremde ist ein ganz schön dicker Roman und hat mich so einige Zeit gekostet. Das Buch fängt sehr langsam und ausführlich an, aber das ist auch gut so, denn der Leser, die Leserin muss nicht nur direkt zu Anfang mit einem Zeitsprung klar kommen, sondern auch Stück für Stück in 12(!) verschiedene Charaktere und deren Gedanken einsteigen. Dennoch gibt es mit Frances Welty eine Hauptfigur, an die man sich halten kann, denn ihre Perspektive taucht öfter vor, als die von allen anderen Beteiligten. 
Frances Welty ist eine Frau mittleren Alters, die momentan eine ziemlich große Pechsträhne durchlebt und sich im Tranquillum House ein wenig Ruhe und Balance wünscht. Sie ist Autorin, aber ihre Bücher kommen in ihrer Zielgruppe nicht mehr an. Sie ist die erste der Neun Fremden, in dessen Kopf man sehen kann und da hat sich Autorin Liane Moriarty richtig Mühe gegeben. Der Charakter von Frances wird ganz allein schon durch Gedankengänge und ihr Verhalten klar. Langsam passiert sie revue ihre Erlebnisse, bewertet diese und was mich, unter anderem, sehr belustigt hat war, mit welchen Vorurteilen sie die anderen im Tranquillum House anfangs abstempelt, wie an dieser Stelle; 
„Der Mann, mit dem sie freigiebig die Symptome ihrer Wechseljahre diskutiert hatte. Der Serienkiller auf Urlaub.“ 
Auch begleitet man Frances dabei, wie sich nach und nach ihre Eindrücke grundlegend ändern. Alle anderen Gäste denken Anfangs so und machen im Laufe der Geschichte eine ähnliche Transformation durch.

Das Ressort an sich ist wunderschön und gefällt den Gästen sehr und auch das eher unkonventionelle Programm heißen sie mehr oder weniger Willkommen, da sie alle so sehr den Wunsch nach einer Veränderung, oder einer Rettung haben. Mit der Methode der Stille und der Meditation, sowie Behandlungen von Verletzungen und Gesichtsmasken zum Entspannen, scheint das Wellness-Ressort seinen Preis wert zu sein, alles ist durchgehend luxuriös und das Tagesprogramm auf jeden einzelnen Gast abgestimmt. Aber immer mal wieder hinterlassen die Methoden dann doch ein Stirnrunzeln bei den Neun Fremden und geben dem Lesenden schon einen Hinweis, dass irgendetwas im Busch ist. Aber man weiß einfach nicht was und keiner der Perspektiven gibt da auch nur einen Hinweis, da sie entweder selbst im Dunkeln tappen, zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, von den Methoden durchweg begeistert sind, oder einen Plan im Kopf haben, den sie nicht mit dem Leser teilen. Letzteres bezieht sich auf die Wellness-Ressort-Leiterin, die ich durch den AHA-Effekt nicht beim Namen nennen werde. Auch sie ist im Roman durchaus öfter vertreten. In ihrer Perspektive lernt man nicht nur etwas über sie, das Ressort, die Beweggründe, sie beschreibt aus ihren Augen auch noch ihre Gäste. Sie schätzt ihr Verhalten nicht nur ein, sondern analysiert es im Bezug zu ihrer Behandlung und im Gegensatz zu Frances hat sie, durch die vorher ausgefüllten Fragebögen, das nötige Wissen, um genau ins Schwarze zu treffen. Dadurch kann sie den Gästen die, in ihren Augen, perfekte Behandlung ermöglichen, durch die sie ein ganz neuer Mensch werden. 
„In zehn Tagen werden sie nicht mehr derselbe Mensch sein, der sie jetzt sind“ (S.136) Sie ist sich ihrem Können so sicher, sodass sie ihn gut und glaubwürdig an die meisten der neun Gäste verkaufen kann. Aber irgendeiner der Gäste spürt immer, dass irgendetwas nicht stimmt und dieses Mistrauen wird auf den Leser übertragen. Und das ist so frustrierend und gleichzeitig so gut eingearbeitet worden. Eine bunte Mischung an Frauen und Männern in den verschiedensten Altersgruppen und Lebenssituationen. Hoffnung und Mistrauen. Sobald der Leser Mistrauen bekommt, kommt eine positiv eingestellte Frances daher, und man denkt sich „Ja, vielleicht ist die Methode nicht besonders konventionell, aber wenn sie den Gästen hilft, kann es ja gar nicht so schlimm sein, sie mitten in der Nacht aus ihren Zimmern zu holen? Zumal, sie haben ja geklopft (was wir übrigens nicht wissen) und so spielt das Tranquillum House nicht nur mit den Nerven und Schwächen der Gäste, sondern lässt auch immer wieder das Mistrauen des Lesers schwinden. So ganz verschwindet es aber nicht und so bleibt die Ganze Zeit ein flaues Gefühl beim Lesen. 
Liane Moriarty hat wirklich ein Leseerlebnis geschaffen, denn man ist nicht einfach nur neugierig, welche Geheimnisse die Gäste mit sich herumtragen und ob die Wellness-Behandlung anschlagen wird, sondern wartet nur darauf, Recht damit zu behalten, dass etwas in dem Anwesen nicht mit rechten Dingen zugeht. Dieses Gefühl wird übrigens auch durch die einzelnen Perspektiven verstärkt, die entweder viel von sich selbst erzählen, oder die anderen Gäste falsch verurteilen. Es war wirklich interessant zu sehen, dass auch ich als Leserin dadurch diese Vorurteile und Fehleinschätzungen aufgenommen habe und jedes Mal total überrascht war, wenn die Einschätzung sich, in der Tat, als falsch oder auch richtig herausgestellt hat. Liane Moriarty ist wirklich eine sehr talentierte Autorin. Sie hat eine solche Beobachtungsgabe, dass dadurch ihre Charaktere unglaublich viel an Tiefe gewinnen und auch ohne Dialog eine eigene Stimme und Farbe bekommen. Auch fand ich, dass der Stil, in dem der Roman aufgebaut ist -durch das ganz langsame Aufdecken der Geheimnisse,, sehr experimentierfreudig war und durch die seltsame Atmosphäre, die das Ressort versprüht, hat genau dieser Stil perfekt gepasst. Was mir ausserdem gefallen hat war, dass jeder einzelne Charakter vollkommen liebenswert war….oder zumindest zu 1%, sodass jede Aktion, jeder Gedanke irgendwo doch nachvollziehbar war. Das Buch hat mit 528 Seiten, um die 70 Kapitel, schon ganz schön viel Lesematerial und ein langsamer Leser, wie ich, ist für eine Weile damit beschäftigt, aber man konnte vor allem am Anfang immer gut mittendrin eine Pause einlegen und problemlos wieder ansetzen, ohne den merkwürdigen Zauber, den die Geschichte innehält, zu durchbrechen. 
Ein durch und durch unterhaltsames, merkwürdiges Buch, dass ich jedem ans Herz legen kann, der ein Fan von Liane Moriarty, Big Little Lies ist, oder einfach nur wirklich sehr neugierig ist und sich mit Frances Welty identifizieren kann.

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