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Interview mit Franzi von Kempis
Wie leicht fällt es Ihnen, ruhig zu bleiben, wenn Sie mit Menschen diskutieren, die eine politisch oder ethisch komplett andere Meinung vertreten als Sie selbst?
Das hängt immer vom Kontext ab. Situation, Gegenüber und Thema ändern sich ja. Grundsätzlich gilt: Unterschiedliche Meinungen zu haben macht so manche Unterhaltung ja erst richtig spannend. Ich versuche mir immer in Erinnerung zu rufen, dass ich die Wahrheit nicht gepachtet habe. Ich finde: Wer mit der Haltung „Gewinnen oder Verlieren“ in eine Diskussion reingeht, kann nur verlieren. Man kann seine Inhalte auch vertreten, ohne das Gegenüber niederzuschreien oder mit Argumenten niederzuknüppeln – was mir natürlich auch nicht immer gelingt. Im Internet fällt es mir oft leichter, ruhig zu bleiben. Ich weiß, dass mein Gegenüber mich im Regelfall nicht kennt, meine Reaktion nicht sieht und deshalb anders anzugehen ist. Trotzdem hilft es mir manchmal, dreimal tief durchzuatmen oder vor dem Antworten einmal um den Block zu gehen, wenn jemand immer wieder bewusst vom eigentlichen Thema ablenkt oder ausfallend wird. In einer Diskussion mit Familie oder Freunden ist das natürlich etwas komplizierter, weil hier die persönlichen Beziehungen mit reinspielen. Aber auch hier helfen oft die einfachsten Dinge: Beim eigentlichen Thema bleiben, das Gegenüber ausreden lassen und nicht sofort dazwischenreden, zuhören, auf das Gesagte eingehen und sich immer wieder vor Augen führen, welche Ängste letztlich dahinterstecken. Die Aussage hinter der Aussage sozusagen.
Sie kämpfen schon seit einigen Jahren als „Besorgte Bürgerin“ auf Youtube und Facebook mit Fakten und Wissen gegen Verschwörungstheorien, falsche Infos und Hass im Netz. Warum war es für Sie jetzt an der Zeit auch ein Buch zu diesen Themen zu schreiben?
Zu jedem Video, das ich als „Besorgte Bürgerin“ gemacht habe, kamen immer viele Nachfragen von ZuschauerInnen: „Kannst du das nochmal ausführlicher erklären?“ oder „Wie würdest du Thema X angehen?“ Da aber in ein Online-Video nicht immer alle ausführlichen Hintergrundinfos passen und natürlich nicht alle Menschen das Internet als ihre einzige Informationsquelle nutzen, wollte ich ein Buch schreiben, das ich selbst gerne zum Nachschlagen und Nachlesen zur Hand gehabt hätte. Ein Buch für die Praxis. Ich habe selbst jahrelang mit jungen Menschen Videokampagnen im Internet zu gesellschaftspolitischen Themen gemacht und dabei gemerkt, wie viel einem da entgegenschlägt. Einerseits positives Feedback, andererseits ungefilterter Hass, aber auch viel Gegenrede, inhaltliches Feedback, falsche Informationen – was man ja alles erst einmal kontern bzw. für sich inhaltlich einordnen können muss. Wer da bei großen Themen wie „Antisemitismus“ oder „Klimawandel“ anfängt zu googeln, kommt vom Hundertsten ins Tausendste. Da habe ich mir sehr oft ein Überblickswerk gewünscht, in dem ich bestimmte Phrasen, bestimmte Vorurteile, bestimmte Aussagen einfach mal nachgucken kann. Die Idee hinter „Anleitung zum Widerspruch“ ist es also, ein Buch zu haben, das man griffbereit hat, wenn man sich inhaltlich unsicher fühlt. Entweder um ausführliches Hintergrundwissen nachzulesen oder auch nur um die kurzen „Spickzettel“ (am Ende jedes Themenkapitels werden übersichtlich Argumente zusammengefasst) für den nächsten schnellen Konter zu überfliegen.
Menschen neigen dazu, Informationen so auszuwählen, dass sie die eigene Meinung und das eigene Weltbild bestätigen. Im digitalen Zeitalter wird das durch Algorithmen und Filterblasen auch immer einfacher. Wie schafft man es, Menschen aus dieser Informationsblase wieder rauszuholen?
Wenn ich die perfekte Antwort nur hätte … Vielleicht ein Ansatz: Anlaufstellen und Informationshilfe für diejenigen schaffen, die jemanden in ihrem Umfeld haben, die/der sich nur noch monothematisch informiert. Bessere Vermittlung von Medienkompetenz, nicht nur für Jugendliche und SchülerInnen, sondern auch für Erwachsene, die wir nicht mehr über die Schule erreichen können. Vor allem für die Erwachsenenbildung brauchen wir neue Konzepte. Alles immer auf die Schule abzuwälzen, in der Hoffnung, dass es „die Jugend“ in einer demografisch überalterten Gesellschaft schon richten wird, halte ich für eine gefährliche Illusion.
Welche Personen und/oder Projekte sind für Sie aktuell Vorbilder wenn es um die Förderung von Zivilcourage und einer konstruktiven Gesprächskultur geht?
Wer mir überhaupt immer wieder die größten Vorbilder sind: Die Leute, die einfach machen. Egal ob das in Form eines Projektes ist, das aufbaut, vermittelt, vernetzt oder unterstützt – oder im privaten Alltag. Ich bin zum Beispiel ein großer Fan des Vereins „ichbinhier“. Eine demokratische Zivilgesellschaft, die miteinander diskutieren soll, funktioniert ja nur, wenn eben diese das auch tut. Und nicht nur einige Wenige laut schreien, während viele leise schweigen. Deshalb ist es so wertvoll, wenn sich zum Beispiel jemand hinsetzt und in Internetforen mitdiskutiert und gegenhält. Das habe ich als „Besorgte Bürgerin“ immer wieder erlebt. Da gab und gibt es zu jedem Thema natürlich große Diskussionen, aber unter jedem Video auch Gruppen von engagierten ZuschauerInnen, die einfach so, mit viel Wissen sachlich mitdiskutiert haben, Widerspruch eingelegt, aber auch ausgehalten haben. Das hat diese Diskussionen dann oft erst wirklich wertvoll gemacht.
Die Unterscheidung zwischen Fakten und Tatsachenbehauptungen ist nicht immer leicht. Wie kann man dieses Problem konkret angehen?
Konkrete Maßnahmen gibt es meines Erachtens einige. Viele davon werden ja auch längst umgesetzt, vielleicht aber noch nicht überall in dem Maße, das es bräuchte. Zum Beispiel: Medienkompetenz fördern, und zwar nicht nur bei Jugendlichen. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Kompetenzvermittlung auch ins spätere Berufsleben integrieren können. Es braucht außerdem transparente Medienkommunikation. Medien können (und tun dies bereits) falschen Informationen sorgfältig recherchierte Informationen entgegenstellen. Je transparenter Medien ihre Recherchen offenlegen, Quellen angeben, zwischen Meinung und Fakten trennen, desto klarer wird auch für ZuschauerInnen oder LeserInnen, wie eine Nachricht, eine Information entsteht. Und natürlich braucht es auch Politikerinnen und Politiker, die sich nicht absichtlich in der Grauzone zwischen Falschinformationen und Tatsachenverdrehung aufhalten. Die sich gegen diejenigen stellen, die genau das tun, um Stimmen zu fangen. Und es braucht politische Parteien, die sich auch im Netz aufhalten, dort Widerspruch einlegen und sich nicht vor dem Diskurs scheuen.
Das hängt immer vom Kontext ab. Situation, Gegenüber und Thema ändern sich ja. Grundsätzlich gilt: Unterschiedliche Meinungen zu haben macht so manche Unterhaltung ja erst richtig spannend. Ich versuche mir immer in Erinnerung zu rufen, dass ich die Wahrheit nicht gepachtet habe. Ich finde: Wer mit der Haltung „Gewinnen oder Verlieren“ in eine Diskussion reingeht, kann nur verlieren. Man kann seine Inhalte auch vertreten, ohne das Gegenüber niederzuschreien oder mit Argumenten niederzuknüppeln – was mir natürlich auch nicht immer gelingt. Im Internet fällt es mir oft leichter, ruhig zu bleiben. Ich weiß, dass mein Gegenüber mich im Regelfall nicht kennt, meine Reaktion nicht sieht und deshalb anders anzugehen ist. Trotzdem hilft es mir manchmal, dreimal tief durchzuatmen oder vor dem Antworten einmal um den Block zu gehen, wenn jemand immer wieder bewusst vom eigentlichen Thema ablenkt oder ausfallend wird. In einer Diskussion mit Familie oder Freunden ist das natürlich etwas komplizierter, weil hier die persönlichen Beziehungen mit reinspielen. Aber auch hier helfen oft die einfachsten Dinge: Beim eigentlichen Thema bleiben, das Gegenüber ausreden lassen und nicht sofort dazwischenreden, zuhören, auf das Gesagte eingehen und sich immer wieder vor Augen führen, welche Ängste letztlich dahinterstecken. Die Aussage hinter der Aussage sozusagen.
Sie kämpfen schon seit einigen Jahren als „Besorgte Bürgerin“ auf Youtube und Facebook mit Fakten und Wissen gegen Verschwörungstheorien, falsche Infos und Hass im Netz. Warum war es für Sie jetzt an der Zeit auch ein Buch zu diesen Themen zu schreiben?
Zu jedem Video, das ich als „Besorgte Bürgerin“ gemacht habe, kamen immer viele Nachfragen von ZuschauerInnen: „Kannst du das nochmal ausführlicher erklären?“ oder „Wie würdest du Thema X angehen?“ Da aber in ein Online-Video nicht immer alle ausführlichen Hintergrundinfos passen und natürlich nicht alle Menschen das Internet als ihre einzige Informationsquelle nutzen, wollte ich ein Buch schreiben, das ich selbst gerne zum Nachschlagen und Nachlesen zur Hand gehabt hätte. Ein Buch für die Praxis. Ich habe selbst jahrelang mit jungen Menschen Videokampagnen im Internet zu gesellschaftspolitischen Themen gemacht und dabei gemerkt, wie viel einem da entgegenschlägt. Einerseits positives Feedback, andererseits ungefilterter Hass, aber auch viel Gegenrede, inhaltliches Feedback, falsche Informationen – was man ja alles erst einmal kontern bzw. für sich inhaltlich einordnen können muss. Wer da bei großen Themen wie „Antisemitismus“ oder „Klimawandel“ anfängt zu googeln, kommt vom Hundertsten ins Tausendste. Da habe ich mir sehr oft ein Überblickswerk gewünscht, in dem ich bestimmte Phrasen, bestimmte Vorurteile, bestimmte Aussagen einfach mal nachgucken kann. Die Idee hinter „Anleitung zum Widerspruch“ ist es also, ein Buch zu haben, das man griffbereit hat, wenn man sich inhaltlich unsicher fühlt. Entweder um ausführliches Hintergrundwissen nachzulesen oder auch nur um die kurzen „Spickzettel“ (am Ende jedes Themenkapitels werden übersichtlich Argumente zusammengefasst) für den nächsten schnellen Konter zu überfliegen.
Menschen neigen dazu, Informationen so auszuwählen, dass sie die eigene Meinung und das eigene Weltbild bestätigen. Im digitalen Zeitalter wird das durch Algorithmen und Filterblasen auch immer einfacher. Wie schafft man es, Menschen aus dieser Informationsblase wieder rauszuholen?
Wenn ich die perfekte Antwort nur hätte … Vielleicht ein Ansatz: Anlaufstellen und Informationshilfe für diejenigen schaffen, die jemanden in ihrem Umfeld haben, die/der sich nur noch monothematisch informiert. Bessere Vermittlung von Medienkompetenz, nicht nur für Jugendliche und SchülerInnen, sondern auch für Erwachsene, die wir nicht mehr über die Schule erreichen können. Vor allem für die Erwachsenenbildung brauchen wir neue Konzepte. Alles immer auf die Schule abzuwälzen, in der Hoffnung, dass es „die Jugend“ in einer demografisch überalterten Gesellschaft schon richten wird, halte ich für eine gefährliche Illusion.
Welche Personen und/oder Projekte sind für Sie aktuell Vorbilder wenn es um die Förderung von Zivilcourage und einer konstruktiven Gesprächskultur geht?
Wer mir überhaupt immer wieder die größten Vorbilder sind: Die Leute, die einfach machen. Egal ob das in Form eines Projektes ist, das aufbaut, vermittelt, vernetzt oder unterstützt – oder im privaten Alltag. Ich bin zum Beispiel ein großer Fan des Vereins „ichbinhier“. Eine demokratische Zivilgesellschaft, die miteinander diskutieren soll, funktioniert ja nur, wenn eben diese das auch tut. Und nicht nur einige Wenige laut schreien, während viele leise schweigen. Deshalb ist es so wertvoll, wenn sich zum Beispiel jemand hinsetzt und in Internetforen mitdiskutiert und gegenhält. Das habe ich als „Besorgte Bürgerin“ immer wieder erlebt. Da gab und gibt es zu jedem Thema natürlich große Diskussionen, aber unter jedem Video auch Gruppen von engagierten ZuschauerInnen, die einfach so, mit viel Wissen sachlich mitdiskutiert haben, Widerspruch eingelegt, aber auch ausgehalten haben. Das hat diese Diskussionen dann oft erst wirklich wertvoll gemacht.
Die Unterscheidung zwischen Fakten und Tatsachenbehauptungen ist nicht immer leicht. Wie kann man dieses Problem konkret angehen?
Konkrete Maßnahmen gibt es meines Erachtens einige. Viele davon werden ja auch längst umgesetzt, vielleicht aber noch nicht überall in dem Maße, das es bräuchte. Zum Beispiel: Medienkompetenz fördern, und zwar nicht nur bei Jugendlichen. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Kompetenzvermittlung auch ins spätere Berufsleben integrieren können. Es braucht außerdem transparente Medienkommunikation. Medien können (und tun dies bereits) falschen Informationen sorgfältig recherchierte Informationen entgegenstellen. Je transparenter Medien ihre Recherchen offenlegen, Quellen angeben, zwischen Meinung und Fakten trennen, desto klarer wird auch für ZuschauerInnen oder LeserInnen, wie eine Nachricht, eine Information entsteht. Und natürlich braucht es auch Politikerinnen und Politiker, die sich nicht absichtlich in der Grauzone zwischen Falschinformationen und Tatsachenverdrehung aufhalten. Die sich gegen diejenigen stellen, die genau das tun, um Stimmen zu fangen. Und es braucht politische Parteien, die sich auch im Netz aufhalten, dort Widerspruch einlegen und sich nicht vor dem Diskurs scheuen.
Franzi von Kempis lebt und arbeitet als Journalistin in Berlin. Mit dem ironisierten Titel »Die besorgte Bürgerin« hat sie im Netz eine eigene Video-Marke etabliert, die Falschinformationen und Hetze inhaltlich Kontra bietet. Seit 2018 leitet sie als Chefin-vom-Dienst den Bereich Video für die t-online.de-Redaktion.
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